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Dominosteine mit Twitter-Vögeln, die umfallen
Legende: Fake News erreichen das Publikum etwa sechsmal schneller als wahre Nachrichten, zeigt die Studie. Getty Images/Hiroshi Watanabe

Neue Studie zu Twitter Unsere Neugierde fördert Fake News

Falschmeldungen enthalten öfter neue Informationen – und solche verbreiten wir lieber als bereits Bekanntes. Das zeigt eine neue, gross angelegte Studie.

Zu Fake News gibt es viele Studien. Soeben ist in der Fachzeitschrift «Science» aber eine neue Studie erschienen, die so umfassend ist, wie keine zweite. Über einen Zeitraum von elf Jahren haben US-Forscher untersucht, wie gut sich wahre und falsche Nachrichten im Kurznachrichtendienst Twitter verbreiten.

Weit über 100'000 einzelne Twitter-Nachrichten wurden auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, durch Mitarbeiter von unabhängigen, aufs Überprüfen von Fakten spezialisierten Organisationen wie Snopes oder Politifact.

100 Mal mehr Publikum für Fake News

Danach kreierten die Forscher spezielle Algorithmen. So konnten sie sehen, wie erfolgreich die einzelnen Tweets insgesamt mehrere Millionen Nutzer erreichten.

Die Bilanz war ernüchternd: «Während wahre Meldungen selten mehr als 1000 Leute erreichten, sahen die beliebtesten Falschmeldungen regelmässig zwischen 1000 und 100'000 Leute», sagt der Co-Autor der Studie, Sinan Aral vom Massachusetts Institute of Technology.

Fake News sind schneller

Eine süffige Lügengeschichte kann also gut und gern 100 Mal mehr Publikum erreichen, als eine wahre Geschichte. Und: «Die Wahrscheinlichkeit, dass ein unwahrer Tweet weiterverbreitet wird, ist im Schnitt um 70 Prozent höher, als das bei einem wahren Tweet der Fall ist», sagt Sinan Aral.

Fake News erreichen das Publikum auch viel schneller als korrekte Nachrichten – etwa sechsmal schneller, haben die Forscher herausgefunden.

Belegt ist das nun für Twitter. Aber: «Wir denken, das Phänomen ist nicht nur bei Twitter verbreitet», sagt der US-Experte David Lazer, der in der aktuellen «Science»-Ausgabe ebenfalls mit einem Artikel zur Fake News vertreten ist.

Menschliche Schwäche

Ein möglicher Grund, dass Falschinformationen sich in sozialen Medien so gut durchsetzen, liegt in der menschlichen Neugierde: «Fake News enthalten öfter neue Informationen, und solche werden von den Leuten eher geteilt als bereits Bekanntes», hat Sinan Aral festgestellt.

Polarisierung und das Misstrauen

Trotz allem: «Es gibt viele Falschmeldungen, aber es ist immer noch kein grosser Teil des gesamten Newsangebots», schätzt der Politik- und Computerwissenschaftler David Lazer.

Dennoch würden Fake News eine problematische Entwicklung verstärken: nämlich die politische Polarisierung und das Misstrauen in Staat und Medien. «Es ist diese breitere Entwicklung, die beunruhigend ist», sagt Lazer.

Einfluss aus Deutschland

Ähnlich sieht es Marko Kovic vom Zürcher Think Tank «Zipar». Auch in der Schweiz sollten wir Fake News ernster nehmen, findet er – auch wenn die Situation hierzulande nicht eins zu eins mit den USA vergleichbar sei.

Wichtig sei etwa der Austausch mit Deutschland. Mit der «Alternative für Deutschland» gibt es dort eine Partei, die aktiv Fake News verbreitet. Ihr Beispiel könnte auch in der Schweiz Schule machen, schätzt der Politologe und Kommunikationswissenschaftler: «Es gibt immer mehr Menschen, die dem Journalismus aktiv misstrauen. Sie suchen sich andere Quellen und teilen diese in ihren Netzwerken.»

Wissen als wirksamste Gegenmassnahme

Was kann man tun gegen Fake News? Eine Möglichkeit sind spezielle Algorithmen, die Falschinformationen in einem sozialen Netzwerk blockieren. Erste solche Algorithmen werden heute schon eingesetzt. Allerdings: fehlerfrei werden sie nie arbeiten können. Es besteht immer die Gefahr, dass im Zweifelsfall auch korrekte Informationen eingeschränkt oder gelöscht werden.

Auch menschliches Engagement ist daher gefragt. Als nützlich hat es sich etwa erwiesen, wenn Behörden gravierende Fake News rasch öffentlich korrigieren. Hierzulande tut das bisweilen das Bundesamt für Gesundheit – etwa bei Fake News von Impfgegnern. Allerdings ist das nur punktuell möglich. Denn der Personalaufwand, um Unwahrheiten zu entschärfen, ist enorm.

Marko Kovic plädiert daher für mehr Aufklärung – möglichst früh: «Wir müssen den Kindern in der Schule beibringen, Medieninhalte kritisch zu reflektieren. Ich glaube, das ist die einzige Massnahme, die uns bei diesem Problem weiterhelfen kann.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Wissenschaftsmagazin, 10.3.2018, 12.40 Uhr

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