Worum geht's?
99 Prozent von dem, was uns ausmache, liege im Unsichtbaren – so lautet ein Zitat des US-amerikanischen Architekten Buckminster Fuller. Es gab dem amerikanischen Podcast «99 % Invisible» seinen Namen.
Offiziell geht es bei «99 % Invisible» um Design und Architektur. Aber eigentlich erzählt die Podcast-Serie von allen möglichen Dingen und Ideen, auf die unsere Welt aufbaut. Jede Woche wird in einer Episode die Geschichte eines Gegenstands, eines Gebäude oder eines Gedankens aufgerollt – und fürs Ohr aufbereitet.
Eine der neusten Folgen nimmt mich zum Beispiel in ein verlassenes Viertel der US-Stadt St. Louis mit: Dort wurden aus den Wänden der Arbeiterhäuschen so viele Backsteine gestohlen, dass sie aussehen wie offene Puppenhäuser.
In anderen Folge erfahre ich, dass ein Schweizer im 16. Jahrhundert wärmespeichernde Steinwände für Gärten erfand: Vorläufer der Gewächshäuser. Es gab auch schon Episoden zu Glückskeksen, zur Augenfarben von Tauben, zu Lotussitz-Emojis oder zur Mülltrennung in Taiwan.
Warum ist's interessant?
99 Prozent aller Geschichten sind vergessene oder noch nicht erzählte. Oder solche, denen wir zu wenig Beachtung schenken, die unter den wichtigen und dringenden Themen, denen wir unsere Aufmerksamkeit im Alltag widmen, untergehen. So die Prämisse des Podcasts.
Das Gelungene daran: Es geht nie nur um die Nebensache oder den Nebenschauplatz, sondern auch um das grosse Ganze, das dahintersteckt. Anhand von Büroboxen wird auch über die Veränderung des Arbeitsmarkts nachgedacht. Ausgehend von kaputten Backsteinhäusern über das Verschwinden von Fabriken und über falsche Fassaden erzählt.
Ein banal klingendes Thema wird so aufbereitet, dass man den Eindruck hat, das habe auch etwas mit dem eigenen Leben zu tun.
Der kreative Kopf und die Stimme von «99 % Invisible» ist Roman Mars – er führt jeweils durch die Episoden. Mars und die anderen MacherInnen sprechen oft mit Experten, solchen mit bekannteren Namen oder solchen, die etwas zu sagen haben. Vor allem aber fangen sie Atmosphäre und Erlebnisse für unsere Gehörmuscheln ein.
Das Resultat ist nicht nur inhaltlich überraschend. Es ist ein Genuss, in diese Geschichten einzutauchen. Man fühlt sich als Hörerin wie beim Perlenfischen: Man weiss nie so recht, welches Thema einem als nächstes erwartet. Aber man vertraut bei «99 % Invisible» darauf, dass es sich lohnt, hinzuhören.