«Jede Generation hat die Schülerzeitung, die sie verdient», das wäre so ein typischer Satz, mit dem ein 50plus-jähriger Redaktor einen Artikel über ein Schülerzeitungsprojekt der Gegenwart beginnen würde. Zart schmunzelnd oder mit einem Schuss besserwisserischer Arroganz. Würde nur noch der Satz «Früher war alles besser» fehlen…
Nun, ich bin so ein Redaktor und habe vor vielen, vielen Jahren auch Artikel für eine Schülerzeitung verfasst. Sie hiess «Die Rübe». Wir schrieben auf einer Kugelkopf-Schreibmaschine, die Schlagzeilen wurden mit Letra-Set auf die papierne Druckvorlage gerubbelt.
Verkaufen mussten wir «Die Rübe» heimlich, auf dem Schulhof, auf dem Klo. Denn Redaktionsmitgliedern drohten seitens der Schulleitung disziplinarische Massnahmen.
Das ist lange her. Gottseidank.
Heute ist alles anders, heute ist alles online
Heute ist nicht nur alles anders, sondern auch besser. Das Internet macht's möglich. « Tize », das grösste Online-Magazin für Schüler, Studenten und junge Erwachsene erreicht monatlich 15'000 Leserinnen und Leser. Und das ohne Werbung. Das hätten wir nie geschafft.
Nils Feigenwinter ist 17 Jahre alt und Gründer von «Tize»: «Schülerzeitung ist ja nichts Neues. Neu ist, wie man diese Schülerzeitung aufbereitet.»
Montag bis Freitag erscheinen jeden Morgen um sechs Uhr vier Artikel, die von «Tize»-Redaktorinnen und -Redaktoren in der ganzen Schweiz geschrieben wurden. Über einen Selbstversuch, ohne Müll zu leben zum Beispiel, oder über die Frage, wie Hass entsteht.
Gemeinnütziges Medienunternehmen
Organisiert ist «Tize» wie ein Medienunternehmen der freien Wirtschaft – mit CEO, Marketing-Abteilung und Chefredaktion. Kommuniziert wird hauptsächlich online, die Redaktoren sehen sich kaum. Besprochen werden die Themen via WhatsApp.
«‹Tize› ist ein gemeinnütziges Projekt, wir verdienen dabei kein Geld. Wir machen das aus Überzeugung und Leidenschaft», so beschreibt Nils Feigenwinter die Intentionen seiner über 30 Mitstreiterinnen und Mitstreiter.
Autonome Themenwahl
Die Autoren bestimmen selbst, über welche Themen sie schreiben wollen. «Man kann nicht so pauschal sagen, was unsere Themen sind. Es ist wirklich das, was die einzelnen Redaktoren interessiert», erläutert Nils Feigenwinter diese thematische Vielfalt.
Wer sich durch das Magazin durchklickt, kann viel Brisantes entdecken – Artikel über die Ehe für alle, Berichte über die Verfolgung Homosexueller in Tschetschenien, aber auch typische Jugendthemen wie «Weisst Du, wer Du bist?» oder Film- und Konzerttipps.
Offen für alle
Was den über 50-jährigen Verfasser dieses Artikels aber am meisten erstaunt, ist die gelebte Offenheit des «Tize»-Projekts. Da ist keine redaktionelle Clique am Werk, die nur sich und ihre Themen realisieren will.
Bei «Tize» kann sich jede Person bewerben, die sich engagieren oder schreiben will und sich mit den demokratischen Grundsätzen der Plattform einverstanden erklärt. Niemand soll diskriminiert werden.
Selbstbewusst nutzen sie die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters für ihre Form von Journalismus. Und wer als älterer Kollege «Tize» liest, der bekommt ein Gefühl dafür, wie die Generation «Smartphone» tickt. Unerwartet anders.
Sendung: SRF 1, Kulturplatz, 28.06.2017, 22:25 Uhr