Für Heinz Hörhager gibt es nichts Schöneres, als an einem wolkenlosen Frühherbstmorgen um drei, halb vier aus dem Bett zu springen und in Richtung Berge aufzubrechen. Am liebsten geht er auf die Zwieselalm oder die Plankensteinalm im oberösterreichischen Dachsteingebiet.
Wenn alles gutgeht, erreicht der 49-jährige Naturbursche noch vor Anbruch der Dämmerung seine Fangplätze. Dort installiert er die mitgebrachten Vogelfallen – unterarmlange, mit Netzen versehene Holzstöcke. Das Prinzip dieser Fallen ist einfach: Setzt sich ein Vogel auf den mit Fressködern bestückten Stock, schnellt das Netz zu und schliesst ihn ein. Zu Verletzungen kommt es dabei so gut wie nie, schwört Heinz Hörhager.
Jagdvergnügen für den «kleinen Mann»
Die Vogelfänger des Salzkammerguts haben es ausschliesslich auf vier Vogelarten abgesehen: Distelfink, Erlenzeisig, Gimpel und Kreuzschnabel. Sobald die Fangsaison Mitte September beginnt, tummeln sich drei- bis vierhundert Vogelsteller in den Wäldern zwischen Gmunden, Goisern und Hallstatt.
Papagenos alpine Erben geben sich der Leidenschaft des Vogelstellens hin, seit Kaiser Rudolf II. 1579 seinen oberösterreichischen Landeskindern den Vogelfang erlaubt hat, als Jagdvergnügen für den «kleinen Mann». Dabei geht es den Natur- und Tierfreunden – so sehen sie sich selbst – nur um das Fangen, keinesfalls um das Töten der Vögel. «Den Tieren geschieht nichts», erklärt Heinz Hörhager. «Wir halten sie den Winter über in geräumigen Volieren, im Frühling werden sie dann Jahr für Jahr wieder freigelassen.»
Unter Beobachtung des Tierschutzes
Tierschützer beobachten die Aktivitäten der oberösterreichischen Vogelfänger mit Argusaugen. Viele von ihnen würden das Vogelstellen gern verbieten. Da beissen sie sich an den brauchtumsbewussten Sturschädeln aus dem Salzkammergut allerdings die Zähne aus. Erst recht, seit die Unesco den Vogelfang im Salzkammergut – und nur dort – zum «Immateriellen Weltkulturerbe» ernannt hat; wie den Tango in Argentinien oder das Alphornblasen in der Schweiz.
Vogelfänger mit Leib und Seele
«Das Vogelstellen ist meine grösste Leidenschaft», bekennt Heinz Hörhager. «Würde die Obrigkeit mir mein Hobby verbieten, ich würde es illegal weiter betreiben.» In einer Region, in der die Wilderei seit Jahrhunderten weit verbreitet ist – auch als Akt des sozialen Aufbegehrens – sind das keine leeren Worte.
Heinz Hörhager ist Vogelfänger mit Leib und Seele, und das seit fast 40 Jahren. Wie jedes Jahr hofft der naturbegeisterte Oberösterreicher auf eine Auszeichnung bei der salzkammergutweiten «Verbandsausstellung» Ende November. Bis jetzt ist es Heinz Hörhager noch nie gelungen, den Preis für den schönsten Gimpel oder Distelfink einzuheimsen.
Aber: Was nicht ist, kann ja noch werden. Und so wird der passionierte Vogelsteller auch nächsten Herbst des Öfteren um drei oder halb vier aufstehen, um auf die Zwieselalm hinaufzuwandern. Vielleicht ist Fortuna ihm in dieser Saison hold. Denn das Glück, so weiss ein österreichisches Sprichwort, ist ein Vogerl.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 20.4.2016, 17:22 Uhr