«Wir müssen mit den Füssen so ein bisschen planschen und dann kommen die Muscheln hoch.» Sebastian erklärt lachend die Technik, die auch Möwen anwenden, um an ihre bevorzugten Leckerbissen heranzukommen. Er ist einer der jungen Freiwilligen, die Besucher regelmässig durch das Watt beim schleswig-holsteinischen Büsum führen. «So machen das die Möwen nämlich auch. Die trampeln auf dem Boden herum, die Muscheln kommen hoch, dann können sie diese fressen.»
Neben dem Möwentango, mit dem die Vögel die Muscheln regelrecht aus dem Boden tanzen, haben sie noch andere Fähigkeiten. Die Muscheln etwa knacken sie, indem sie diese verschlucken. «Möwen haben einen ganz starken Magen, der zerdrückt die Muscheln. Das Fleisch wird verdaut, die Schalenreste spucken die Möwen einfach wieder aus», erklärt Sebastian. Neben dem Muschelfriedhof am Strand deuten auch die kleinen weissen Häufchen auf die grosse Zahl der Vögel an der Nordseeküste.
Seltene Vögel rasten im Watt
Die 20 Wattschutzstationen an der Küste müssen jedes Jahr abschätzen, wie viele Vögel hier Rast machen, erklärt Irene eine ihrer Aufgaben. Die 19-Jährige macht wie Sebastian bei Büsum ein freiwilliges ökologisches Jahr. «Wir müssen die Vogelschwärme jedes Jahr zählen. In einem kleinen Schwarm kann man jeden einzelnen Vogel zählen. Wenn es ein Riesenschwarm ist, kann man teilweise auch in 100 Schritten zählen.»
Doch wenn die Vögel auffliegen, hilft nur noch grob abschätzen. Zehn bis zwölf Millionen Zugvögel rasten jedes Jahr im Watt. Dazu gehören bedrohte Arten wie die Lachseeschwalbe oder der Seeregenpfeifer. Aber auch Trauerenten, die auf ihrem Weg zwischen Sommer- und Winterquartier im Nordseewatt eine Fresspause einlegen.
Plastikmüll im Meer bedroht Vogelbestände
Das Watt der Nordsee ist heute eines der grössten Vogelschutzgebiete der Welt – die Unesco hat das Gebiet zum Weltnaturerbe erklärt. Zu den Aufgaben von Sebastian und seiner Kollegin Irene gehören neben Wattführungen deshalb auch Umweltschutzmassnahmen. «Wir sammeln Müll ein oder tote Vögel», erklärt Sebastian. «Bei Eissturmvögeln wird regelmässig der Mageninhalt kontrolliert. Daran kann man sehen, wie stark die Meere schon verschmutzt sind.» Denn viele der Vögel sterben heutzutage, weil sie im Meer Plastik fressen statt Fische – und dann verhungern. Junge Freiwillige wie Sebastian und Irene kümmern sich deshalb auch darum, dass das Wattenmeer sauber bleibt. Damit es hier auch in den kommenden Frühjahren noch krächzt, singt und zwitschert.
Sendung: Radio SRF2 Kultur, Kultur-Aktualität, 21.4.2016, 17:22 Uhr.