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Klimawandel Der Klimawandel führt zu Konflikten: eine steile These

Zahlreiche Studien kochen das Konfliktpotential der Erderwärmung hoch. Sie prophezeien gewaltsame Konflikte und grosse Völkerwanderungen. Doch wissenschaftlich sind die meisten dieser Studien nicht haltbar.

Klimawandel führt zu Konflikten. Diese Schlussfolgerung ist einprägsam, aber falsch. Die Skepsis gegenüber der Klima-Konflikt-Hypothese wächst schon eine Weile. Trotzdem stricken viele Forscher noch immer fleissig weiter an dieser These – selbst in angesehenen Fachmagazinen.

In der Zeitschrift Science wagten kürzlich zwei Autoren aufgrund eines simplen Vergleichs zwischen Durchschnitts-Temperaturen in Afrika und Asylanträgen in der EU die kühne Prognose: Die Zahl der Asylsuchenden werde sich in den kommenden Jahrzehnten vervielfachen.

Wissenschaftlicher Unfug

Thomas Bernauer, Experte für Umwelt- und Klimapolitik an der ETH Zürich, ärgert sich über solche Studien und die Autoren. Diese Studie sei ein Paradebeispiel für eine wissenschaftlich sehr schlecht gemachte, hoch spekulative Studie und damit ein grober Unfug.

Zu den Kritikern der Klima-Konflikt-Hypothese gehört auch Tobias Ide, Konfliktforscher am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig. Er hat zusammen mit Forscherkollegen die neueren Studien zum Thema systematisch durchforstet und kann mit seiner aktuellen Studie viele Kritikpunkte bestätigen. Diese Studien hätten oft methodische Mängel, zögen vereinfachende Schlüsse und konzentrierten sich in aller Regel auf Länder und Regionen, wo generell viel Gewalt herrscht.

Wissenschaftler suchen Bestätigung ihrer Thesen

Viele Forschende suchten die Bestätigung ihrer Klima-Konflikt-These vorzugsweise dort, wo sich diese zu erfüllen verspricht, kritisiert Ide. Auch ETH-Politikwissenschaftler Thomas Bernauer beobachtet diese Schlagseite in der Forschungsliteratur. Es bestehe generell eine Tendenz, sich auf spektakuläre Fälle zu konzentrieren und daraus zu folgern, dass der Klimawandel zu Konflikten führe: «Spätestens hier jedoch beginnt meine grosse Skepsis».

Viele Forschende suchten die Bestätigung ihrer Klima-Konflikt-These vorzugsweise dort, wo sich diese zu erfüllen verspricht
Autor: Tobias Ide Konfliktforscher am Georg-Eckert-Institut Braunschweig

Deutlich öfter Kooperation als Gewalt

Bernauers eigene Forschung zu den zahlreichen Wasserkonflikten rund um den Globus zeigt ganz anderes. Die meisten Konflikte in Wassereinzugsgebieten würden gewaltlos und kooperativ gelöst – mit Verträgen zwischen Staaten, nationalen Gesetzen oder Abkommen zwischen Interessengruppen.

Die allermeisten Konflikte in Wassereinzugsgebieten werden gewaltlos und kooperativ gelöst.
Autor: Thomas Bernauer Experte für Umwelt- und Klimapolitik ETH Zürich

Der Braunschweiger Konfliktforscher Tobias Ide kritisiert noch eine weitere Verzerrung vieler Klimakonflikt-Studien. Diese konzentrierten sich in der Mehrheit auf wenige Regionen – und zwar auf Regionen, wo Klimakonfliktforscher bequem an Daten herankämen, vor allem in Afrika ist das der Fall.

Ehemalige Kolonien werden stigmatisiert

Dies sei ein Grund, weshalb afrikanische Länder ganz besonders in den Fokus der Klimakonfliktforschung gerückt seien: «Das sind oft ehemalige englische Kolonien. Da wird Englisch gesprochen. Da bestehen wissenschaftliche Beziehungen und da gibt es teilweise sehr weit zurückliegende Datensätze aus der Kolonialzeit.»

Ein Strom von Flüchtlingen
Legende: Thomas Bernauer hat grösste Mühe mit der Deutungskaskade, wonach Klimawandel zu Konflikten und schliesslich zu Migrationsströmen führt. Getty Images/Alexander Koerner

Das führe einerseits zu einer Stigmatisierung afrikanischer Länder. Andererseits verpasse man es, von positiven Beispielen zu lernen. Konkret: Von der grossen Mehrheit jener Länder und Regionen, wo der Klimawandel zwar bereits deutlich spürbar sei, Konflikte jedoch friedlich gelöst würden – zum Beispiel in Ozeanien, Lateinamerika oder Asien – und auch in Afrika.

Ein humanitäres Phänomen

Denn der Zusammenhang von Klimawandel und Konflikt ist komplex. Die Erderwärmung spielt bei gewaltsamen Konflikten nur eine untergeordnete Rolle. Die grossen Konflikt-Risikofaktoren sind: extreme politische Instabilität, ein tiefes wirtschaftliches Entwicklungsniveau und langjährige Wirtschaftskrisen, so ETH-Umweltpolitikwissenschaftler Thomas Bernauer.

Was sind die Gründe für die Kriege in Dafur und Syrien?

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Klimawandel als missglückter Erklärungsversuch für die Kriege in Darfur und Syrien: Die Vereinten Nationen machten bereits vor über zehn Jahren den Klimawandel für den Darfur-Konflikt verantwortlicht. Kenner der Region waren entsetzt. Denn diese kühne Behauptung beruhte auf offensichtlich lückenhaften Informationen. Auch im Fall des Syrien-Kriegs wurde von verschiedenen Wissenschaftlern der Klimawandel als Ursache bemüht. Eine mehrjährige Dürre habe zu Landflucht, sozialen Spannungen und schliesslich zum Krieg geführt. Diese Deutung erklärt jedoch nicht, warum es in benachbarten Ländern wie Jordanien und Libanon, die unter derselben Dürre litten, friedlich blieb.

Bernauer hat daher grösste Mühe mit der alarmistischen Deutungskaskade, wonach Klimawandel zu Konflikten und schliesslich zu Migrationsströmen führe: «Wenn wir nur auf bewaffnete Konflikte schauen, verstellt dies unseren Blick.» Der Klimawandel werde dadurch primär als sicherheitspolitisches Risiko betrachtet. In den betroffenen Regionen seien die Folgen des Klimawandels jedoch zuallererst ein humanitäres und wirtschaftliches Problem.

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