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Datentracking im Wandel Beacons: Denn sie wissen, vor welchem Geschäft wir stehen

Das Wichtigste in Kürze

  • Online-Händler haben einen Vorteil gegenüber physischen Läden: Sie können mit Tracking ihre Kunden verfolgen und personalisierte Angebote und Werbung übermitteln.
  • Dank kleinen Sendern namens Beacon könnten die Läden nun gleich ziehen und Kunden über deren Handy-GPS tracken – die deutsche Stadt Minden macht es vor.
  • Passanten können sie so mit Push-Nachrichten in die Läden holen – SRF-Redaktor Reto Widmer hat geschaut, ob's funktioniert.

SRF am World Web Forum

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Wie verändert die Digitalisierung die Rolle der Staaten? Werden sie gar überflüssig? «End of Nation» – das ist das Thema des 6. «World Web Forum».

SRF überträgt den Event live in einem «ECO»-Spezial am Donnerstag, 18. Januar 2018, von 08.40 Uhr bis 15.35 Uhr – im Webstream und auf SRF Info. Alles rund um den Event: www.srf.ch/worldwebforum.

Die «Tränke» ist ein Tor zur Innenstadt von Minden. Hier werde ich zum ersten Mal darauf hingewiesen, dass an diesem Ort ein anderer Wind weht – oder präziser: Wellen funken, die es anderswo (noch) nicht gibt.

Ein überdimensioniertes Smartphone verspricht mir, ich könne das historische Minden digital erleben und mit der Minden-App «shoppen und geniessen».

Die Anleitung dazu ist in einem Slogan verpackt. Er heisst «BAM!»: Bluetooth, aktivieren, App laden, Minden erleben. Ersteres habe ich bereits getan, zweiteres klappt ruckzuck, dank freiem WLAN in der ganzen Innenstadt. Und Letzteres will ich jetzt tun. Minden geniessen – mit Beacons.

Beacons: Leuchttürme für besondere Orte

Ein Beacon – englisch für Leuchtfeuer – ist ein Bluetooth-Sender in der Grösse einer Zigarettenschachtel. Diskret montiert kann er mit nur einer Batterie betrieben mehrere Jahre lang permanent rufen: «Hier bin ich!».

Ein Beacon, ein weisses Kästchen, etwa so gross wie eine Schachtel Zigaretten, etwas dicker.
Legende: Einer der rund 40 Beacon-Sender von Minden. SRF

Rund 40 solcher Sender hat die Stadt Minden im Zentrum installiert. Nimmt ein Smartphone in der Nähe mit einem Beacon Kontakt auf, kann der Sender dem Handy via Internet Informationen übermitteln, die nur gerade für diesen Aufenthaltsort Gültigkeit haben und Sinn machen. Das kann zum Beispiel ein Gutschein für einen Kaffee im gegenüberliegenden Geschäft sein.

Genau das passiert mir, kaum bin ich in die Fussgängerzone eingebogen. Das Handy vibriert – und in der Minden App erscheint der Gutschein. Ich werde ihn später einlösen.

Screenshot der Minden App: Gutschein für zwei Kaffee zum Preis von einem im Mindener Feinkosthaus.
Legende: Passanten mit einem Gutschein ins Geschäft locken. «Es funktioniert!», sagt der Ladenbesitzer. SRF

Information am falschen Ort

Schon nach wenigen Metern vibriert mein Smartphone erneut. Diesmal erscheint eine touristische Information. Ich solle mein Augenmerk auf eines der prächtigsten Bürgerhäuser der Stadt lenken, den «historischen Hagemeyer».

Ich drehe mich einmal um die eigene Achse, sehe aber nur einen Drogeriemarkt, ein Geschäft für Jogging-Schuhe und ein paar andere übliche Verdächtige aus der Welt der Ladenketten. Kein historisches Bürgerhaus weit und breit.

Das Problem: Ein Beacon kann bis zu 70 Meter weit funken. Das führt dazu, dass ab und zu Informationen zu früh auf dem Handy erscheinen – also am falschen Ort. Wer sich in der Stadt nicht auskennt, irrt dann planlos umher oder muss sich vom Handy navigieren lassen. Das ist ein Aufwand, der nervt, und den ich sicher nicht allzu oft machen werde.

Erst am «Scharn», einem grossen Platz in der Mindener Altstadt, werde ich fündig. Gegenüber erblicke ich das prächtige Haus, das ein Kaufmann 1594 erbauen liess.

Ein Smartphone so gross wie ein Mensch am Flussufer von Monden. Es wirbt für die «Beacon-Mile».
Legende: Minden gibt sich digitaler als andere Städte. Das merkt der Besucher bereits beim Eingang zur Altstadt. SRF

Auch das erzählt mir mein Smartphone und wird es an diesem Tag noch weitere Male tun. Immer dann, wenn ich als Tourist in der Nähe einer historischen Sehenswürdigkeit stehe, kann ich einen kurzen Podcast dazu herunterladen. Ein ortsbasierter Audioguide: eine gute Sache!

Auch der Pfarrer macht mit

Ebenfalls etwas zu erzählen weiss mein Smartphone bei der St. Marienkirche, die ich einige Minuten später am Ende der Altstadt erreiche: «Seit meiner Jugend hat mich die Bibel gefesselt. Sie erscheint mir auch heute noch als grösste Quelle der Poesie aller Zeiten».

Mindens Pfarrer Frieder Küppers sitzt in seiner Kirche (weltlich bekleidet mit grüner Outdoor-Jacke) und tippt eine «gute Botschaft in sein Handy.
Legende: Macht digitales Marketing für seine Kirche: Pfarrer Frieder Küppers. SRF

Der Satz trifft auf mich zwar nicht zu, dennoch finde ich die Idee gut: Unter dem Motto «Moment mal … Gutes für Deinen Tag» schreibt Mindens Pastor Frieder Küppers regelmässig kurze Texte «für Seele und Geist», die auf dem Smartphone erscheinen, wenn man sich in der Nähe der Kirche aufhält.

Auch das Gotteshaus wurde dazu mit einem Beacon ausgerüstet. Mit dieser digitalen «frohen Botschaft» hofft der Pfarrer, dass ab und zu Menschen in die Kirche finden, die sonst nicht kämen.

Endlich, mein Kaffee

Dasselbe Ziel haben auch die Ladenbesitzer, die bei der Mindener Beacon-Mile mitmachen. Sie wollen, dass neue Kunden in ihre Geschäfte kommen. Jens Müller vom gleichnamigen Feinkostladen ist einer von ihnen.

SRF-Redaktor Reto Widmer gibt Jens Müller sein Smartphone an der Kassen-Theke, um den Gutschein für den Kaffee einzulösen.
Legende: Digitaler Gutschein: An der Kasse bei Feinkosthändler Jens Müller wird er zu zwei analogen Kaffees. SRF

Er – oder genauer der Beacon in der Nähe seines Geschäftes – hatte mir ja schon vor Stunden einen Gutschein «zwei Kaffee für einen» auf mein Handy geschickt. Den löse ich nun ein. Das funktioniert tadellos.

Jens Müller will lediglich kurz mein Smartphone sehen, um den Gutschein zu entwerten. Dann bringt er mir zwei Kaffees und weil ich alleine bin, offeriere ich ihm den Zweiten.

Er erzählt mir von den vielen Touristen im Sommer, meist Fahrradfahrer, die ihre Gutscheine bei ihm einlösten. «Da haben wir dann einiges zu tun mit Kaffee ausschenken!»

Obwohl die Handy-Bons also Arbeit mit sich bringen, würde Jens Müller nicht mehr darauf verzichten. Für ihn ist es eine gute Möglichkeit, für sein Geschäft zu werben. «Es ist eine Win-Win-Situation: Der Kunde erhält einen Kaffee gratis und ich habe zwei potentielle Kunden mehr – weil alleine trinkt ja kaum jemand zwei Kaffee», lacht er.

Eine neue Art, Kundschaft ansprechen

Auch das Optikergeschäft Birkenkämper macht bei der Beacon Mile mit. Es präsentiert in der App spezielle Angebot für besondere Brillenmodelle.

SRF-Redaktor Reto Widmer im Optikergeschäft. Er vergleicht ein Brillenmodell auf der Minden-App mit dem physischen Modell im Geschäft.
Legende: Die Minden-App hat mich zu Optiker Lars Birkenkämper gelockt, wo es das Brillenmodell in echt gibt. SRF

Lars Birkenkämper hofft, eine neue Art von Kunden für sein Geschäft zu interessieren. «Kunden, die vielleicht nicht mehr die Printmedien lesen», meint er. Bisher schaltete er dort seine Anzeigen.

Die Werbung mit der Minden-App sei noch sehr in den Anfängen. Ab und zu aber komme eine Person in das Geschäft, die ein Brillenmodell anschauen wolle, das sie vorher in der App gesehen habe.

Noch fehlen überzeugende Angebote

So positiv das Fazit von Feinkosthändler Müller und Optiker Birkenkämper ist: Derzeit machen neben ihnen nur eine handvoll anderer Ladenbesitzer mit bei der Beacon Mile: ein Juwelier, ein Modehaus, ein Tabakgeschäft, ein Spielzeughändler und ein Café.

Beacons sind eine spannende Technologie. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Menschen ständig Push-Meldungen auf ihrem Smartphone sehen möchten – und wenn, dann müssen die Angebote sehr überzeugend sein. Ab und zu ein kostenloser Kaffee wird auf die Dauer wohl nicht genügen.

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