Menschen bleiben stehen, gehen und rennen, mal in Strömen, mal quer durcheinander. Besucht man Schweizer Bahnhöfe zur Pendlerzeit, wuselt es oft wie in einem Ameisenhaufen. Die Schweiz ist Europameister im Zugfahren – jeden Tag wird das Schweizer Zugnetz von durchschnittlich 1,25 Millionen Menschen genutzt.
Wer sind die Menschen, die diese Pendlerströme überhaupt erst möglich machen? Die an Schweizer Bahnhöfen leben und arbeiten? Die Sommerserie «Leben im Bahnhof» hat einige von ihnen getroffen.
Der 24-jährige Bahnfan mit Loki-Tattoo
Alles im Leben von Noah Balzer steht in Verbindung mit der Bahn: Er arbeitet als technischer Leiter im Bahnmuseum Albula und betreibt mit seinen Vereinskollegen die Modelleisenbahn im Ortsmuseum Bergün. Zum Feierabend trifft man den 24-Jährigen im Bahnhofsbuffet Tiefencastel an und wohnen tut er – wenig überraschend – in einem Bahnhofsgebäude, nämlich in Surava.
Die Liebe zur Bahn geht bei Noah Balzer gar unter die Haut: Er hat sich eine «Krokodil»-Lokomotive auf den Unterarm tätowieren lassen. «Sowas hat schliesslich nicht jeder», schmunzelt er. Und welche Träume hat der Bahnfan für die Zukunft? Die «Krokodil»-Lok in Bergün restaurieren und dann «vielleicht den Lokführer machen».
Seit über 30 Jahren auf die Königin der Berge
Den Traum vom Lokführer-Dasein hat sich Sandra Dettling bereits erfüllt. Sie arbeitet seit 1991 für die Rigi Bahnen, hat sich damals 18-jährig in den Ort und die Bahn verliebt. Heute ist sie Betriebsleiterin und ist sowohl beim technischen Vorbereiten und Ölen der Bahn, auf dem Lokführerstand als auch im Büro anzutreffen.
Ein Hauch Sizilien am Fusse des Gotthard
Fast immer sind Oriana und Franco Garbeni hier, sogar an ihrem Hochzeitstag: im Bahnhofskiosk Quinto. Der Bahnhof ist kein Verkehrsknotenpunkt und das Dorf keine Metropole – und trotzdem hat es das Paar aus Sizilien hierhin verschlagen. Sie führen den Bahnhofskiosk mit viel Liebe für italienische Köstlichkeiten. Ihre Arancini und Cannoli sind weit herum bekannt, die beiden fühlen sich wohl in Quinto. Einziger Wermutstropfen: der lange, kalte Winter.
Blind durch den Bahnhof: Herausforderung und Übungssache
Jonas Pauchard ist seit seinem sechsten Lebensjahr blind und reist regelmässig mit dem Zug. Dafür ist er auf eine gute Infrastruktur angewiesen. Er orientiert sich an den Linien am Boden, entlang der Wand in der Unterführung oder mithilfe von Täfelchen am Treppengeländer, auf denen in Blindenschrift das Gleis und Perron angegeben sind.
Die SBB ist verpflichtet, alle Bahnhöfe barrierefrei zugänglich zu machen – hinkt diesen Vorgaben aber hinterher. Noch immer sind rund 30 Prozent der Bahnhöfe nicht komplett barrierefrei. Teilweise fehlen Leitlinien, niveaugleiche Einstiege in den Zug oder Möglichkeiten, dass Gehbehinderte ohne Treppen zum Gleis kommen.
Menschen am, im und um den Bahnhof
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Bild 1 von 8. Rambazamba in der hektischsten Migros der Schweiz. Ihab Boulus managt die Backwaren an der Migros am Hauptbahnhof Zürich. An einem Sonntag gehen hier bis zu 4000 Gipfeli über die Ladentheke. «Ich liebe das», sagt der gebürtige Syrer, der in seiner Heimat ein Möbelhaus geführt hat, zum hektischen Treiben. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 8. Das Leben von Schriftsteller Pedro Lenz ist geprägt von der Bahn. Der Autor betreibt das Restaurant «Flügelrad» direkt am Bahnhof Olten, wohnt in einer alten SBB-Siedlung – und schreibt auch mal im Zug an seinen Büchern. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 8. Medizinisch versorgt von früh bis spät. Die Permanence im Bahnhof Luzern ist seit zwanzig Jahren Anlaufstelle für alle, die sich niederschwellig und zentral medizinisch versorgen lassen wollen. Vered Kedem, Ärztin in der Permanence, schätzt die Vielseitigkeit ihrer Arbeit. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 8. In der Grossküche unter dem Hauptbahnhof Zürich. In der Grossküche von Candrian Catering entstehen viele der Gerichte und Snacks für den Verkauf in den Schweizer Bahnhöfen. Alexious Chrisanthu ist seit 35 Jahren dabei, heute als der Leiter Sandwich-Produktion. Am beliebtesten sei das Pouletschnitzel-Sandwich, sagt er. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 8. Stolzer Chef über 1300 Veloparkplätze und 12 Mitarbeitende. Lukas Sieber leitet die Velostation im Bahnhof Olten. Früher arbeitete er auf dem Bau, musste sein Leben aber nach einem Arbeitsunfall komplett umstellen. Heute sagt er: «Die Velostation ist mein Leben». Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 8. Sicherheit und Ordnung im Bahnhof – auch in der Nacht. Nachts ist der Bahnhof nur vermeintlich leer. Samantha Stumpf und ihr Kollege vom Sicherheitsdienst machen einen Kontrollrundgang durch den Bahnhof. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 8. Wo Personenzüge wieder fit gemacht werden. Martin Schmidt leitet das SBB-Werk in Olten. Hier arbeiten 1100 Mitarbeitende dafür, dass die Personenzüge sicher und zuverlässig verkehren. Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 8. Zufluchtsort für Menschen am Rande der Gesellschaft. Tito Ries und seine Partnerin Hiriet lebten von 2011 bis 2013 auf der Strasse und verbrachten auch viel Zeit am Bahnhof, besonders bei schlechtem Wetter und im Winter. Die beiden waren damals alkohol-, beziehungsweise drogenabhängig. Bildquelle: SRF.