Ab dem 2. Juli steht die Fussball-Schweiz im Zeichen der Frauen-EM. Lia Wälti sieht als Captain der Nati im Heimturnier einen Höhepunkt ihrer Karriere. Im Interview mit SRF äusserst sich die langjährige Spielerin von Arsenal London ausführlich.
SRF: Im englischen Fussball verdienen Männer durchschnittlich 17'000 Prozent mehr als Frauen. Verdienen die Männer zu viel, oder die Frauen zu wenig?
Lia Wälti: Die Männer verdienen viel zu viel – abnormale Beträge dafür, dass einfach nur einem Ball hinterhergerannt wird.
Welches Klischee über Frauenfussball nervt Sie am meisten?
Boah!
Gibt es so viele?
Uns wird immer gesagt, es sei langsam, langweilig.
Ihre Nati-Kollegin Alisha Lehmann hat Millionen von Followern auf Social Media. Dadurch wird sie aber mehr wegen Äusserlichem als Sportlichem beurteilt.
Es ist gut, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Aber natürlich wird bei Alisha oft nicht aufs Fussballerische geschaut.
Ist Lehmanns Präsenz bei Social Media auch ein Thema in der Nati-Kabine?
Absolut nicht. Alisha gehört nicht zu den Spielerinnen, die am meisten am Handy sind. Da gibt es andere. Wenn sie mit uns ist, macht sie genau das gleiche wie wir – und nichts für Social Media.
Es ist ein Wunder, wovon sich der Körper alles erholen kann.
Bei der WM-Pokalübergabe 2023 küsste Spaniens damaliger Verbandschef Luis Rubiales die Spielerin Jenny Hermoso auf den Mund. Was dachten Sie da?
Ein Mann missachtet eine Spielerin auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, wo sie alles geniessen sollte.
Rubiales sprach ursprünglich von einem Medien-Hype.
Von spanischen Mitspielerinnen weiss ich, dass man ihnen Worte in den Mund legen wollte, um Rubiales zu schützen.
Kommen auch vom Spielfeldrand noch sexistische Kommentare?
Mittlerweile seltener. Wir haben uns ein wenig Respekt erspielt.
Mit Arsenal haben Sie kürzlich bei Real Madrid in der Champions League auf einem Platz gespielt, der eher einem Acker glich. Eine Respektlosigkeit?
Für einen Klub wie Real Madrid finde ich es schon ziemlich respektlos.
Sie bringen mit ihrer Schwester Meret das Kinderbuch «Lia am Ball» heraus.
Wenn wir in der Wälti-Family uns etwas in den Kopf setzen, sind wir schwer davon abzuhalten.
Ein biografisches Märchen, um junge Leserinnen dazu zu animieren, gross zu träumen. Hat Ihnen ein solches Buch als Mädchen gefehlt?
Vielleicht. Für mich war der Traum vom Profifussball damals nicht realistisch.
Wie gehen sie mit Verletzungen um?
Wichtig ist, die Situation anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Es ist ein Wunder, wovon sich der Körper alles erholen kann. Teils hat man das Gefühl, nie mehr spielen zu können – und acht Monate später steht man wieder auf dem Platz.
2023 brauchten Sie eine Pause. War das eine Depression?
Eher eine depressive Phase. Im Sport lernen wir: Du bist nur verletzt, wenn du physisch verletzt bist. Es war schwierig, mir einzugestehen, dass es eventuell einen Stopp braucht und es überhaupt die Möglichkeit gibt, zu sagen: Ich kann nicht mehr.
Das braucht Mut.
Ja. Und ich war sehr nervös, als ich diese Worte aussprach.
Die Auszeit hat dann nur zehn Tage gedauert. Reicht das?
Nein, aber es ging um die Message an mich selbst: Ich kann Stopp sagen. Und ich bin unterstützt, wenn ich Stopp sage. Ich habe viel gelernt in dieser Phase.
Was?
Schneller darüber zu reden.
Das Gespräch führte Urs Gredig.