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215 tote Kinder in Kanada Nach Fund von Massengrab: Forderungen an die katholische Kirche

  • Nach dem Fund eines Massengrabs mit den Leichen von 215 Kindern auf dem Gelände eines ehemaligen Umerziehungslagers rief Kanadas Premierminister Justin Trudeau die katholische Kirche auf, für ihre Rolle als Betreiberin solcher Einrichtungen Verantwortung zu übernehmen.
  • Rosanne Casimir, Oberhaupt der Tk'emlups te Secwepemc First Nation in der westlichen Provinz British Columbia, forderte eine öffentliche Entschuldigung des Vatikans.
  • Inzwischen gedachte Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom in einer ersten Stellungnahme der toten Kinder.

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Leichenfund in Kanada: Der Umgang mit Kindern aus indigenen Familien
aus Echo der Zeit vom 03.06.2021. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 40 Sekunden.

«Ich habe mit Schrecken die Nachrichten aus Kanada empfangen», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche vor vielen Gläubigen. Es werde weiter daran gearbeitet, Licht in die Sache zu bringen. Er rief dazu auf, sich von dem ideologischen Kolonisationsmodell zu entfernen und die Rechte aller Söhne und Töchter Kanadas anzuerkennen.

Papst Franziskus am 6. Juni 2021 während der Sonntagsmesse auf dem Petersplatz in Rom.
Legende: Papst Franziskus am 6. Juni 2021 während der Sonntagsmesse auf dem Petersplatz in Rom. Keystone

Das Massengrab in der Nähe der Stadt Kamloops in British Columbia war Ende Mai entdeckt worden. Aus Respekt für die Privatsphäre der überlebenden Opfer und ihrer Angehörigen sei die Nutzung des Luftraums über der Schule eingeschränkt worden, teilte der zuständige Minister Marc Miller via Kurznachrichtendienst Twitter mit. Premierminister Trudeau erklärte, der 30. September sei zum nationalen Tag der Wahrheit und Erinnerung deklariert worden.

Das Massengrab des Umerziehungslagers

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Legende: Keystone

Das Massengrab wurde auf dem Gelände der Kamloops Residential School gefunden, einer Art Umerziehungslager für Kinder kanadischer Ureinwohner. Die Einrichtung war zwischen 1890 und 1978 in Betrieb. Wann und woran die Kinder starben, ist noch nicht bekannt. Einige von ihnen wurden nur drei Jahre alt.

Die Einrichtung bei Kamloops war nach Angaben von Indigenen die grösste ihrer Art in Kanada. Vom 17. Jahrhundert bis in die 1990er wurden solche sogenannten Residential Schools von der Regierung verwaltet und finanziert. Betreiber waren grösstenteils Kirchen und religiöse Organisationen.

UNO-Menschenrechtsexperten forderten in einer Stellungnahme Kanadas Regierung und den Vatikan auf, umfassende Untersuchungen zu den Todesumständen der Kinder und zu etwaigen Verantwortlichen zu veranlassen. Die Experten sprachen von «abscheulichen Verbrechen» und Menschenrechtsverstössen in den Internaten.

Es wäre «schlicht unvorstellbar», wenn der kanadische Staat und der Vatikan die Verantwortlichen ungeschoren davonkommen liessen und sich nicht um eine umfassende Entschädigung kümmerten, hiess es. Ermittlungen seien an allen derartigen Einrichtungen in Kanada nötig, um Folter- und Missbrauchsvorwürfen nachzugehen und womöglich noch lebende Übeltäter zur Rechenschaft zu ziehen.

Ein dunkles Kapitel Kanadas

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Legende: Keystone

Es handelt sich um eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Kanadas: Über Jahrzehnte riss die Regierung Tausende Söhne und Töchter aus ihren Familien und steckte sie in Internate. Dort sollten sie ihre Kultur vergessen – Feste, Lieder, Sprache, Religion – und die Traditionen der europäischen Einwanderer erlernen. Gewalt und sexueller Missbrauch waren praktisch an der Tagesordnung.

Der Missionsorden, der die Schule betrieb, habe seine internen Aufzeichnungen geheimgehalten, sagte Casimir weiter. Die sterblichen Überreste scheinen von Kindern zu stammen, deren Tod nicht dokumentiert worden war und die keine gekennzeichneten Gräber bekommen hatten.

Auf der ersten Pressekonferenz seit dem Fund sagte Rosanne Casimir laut Medienberichten, ihre indigene Gemeinschaft habe sich kürzlich mit dem örtlichen katholischen Bischof getroffen – aber das reiche nicht. «Wir wollen eine Entschuldigung – eine öffentliche Entschuldigung, nicht nur für uns, sondern für den Rest der Welt», zitierte sie die kanadische Zeitung «The Globe and Mail». «Wir machen die katholische Kirche dafür verantwortlich.»

Auch Trudeau machte der katholischen Kirche schwere Vorwürfe. Sie sei ihrer Verantwortung nie gerecht geworden und stemme sich noch immer gegen eine rückhaltlose Aufklärung. Er sei «tief enttäuscht» vom Vorgehen der Kirche, die nun endlich Dokumente freigeben und die Opfer der Verbrechen entschädigen müsse.

SRF 4 News, 6.6.2021, 14 Uhr;

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