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Davongelaufen oder entführt Hunderttausende Inderinnen verschwinden jedes Jahr

In Indien sind innerhalb von drei Jahren 1.3 Millionen Frauen und Mädchen als vermisst gemeldet worden. Das zeigen Zahlen des indischen Büros für Kriminalstatistik. Südasien-Korrespondentin Maren Peters kennt die Hintergründe.

Maren Peters

Südasien-Korrespondentin

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Maren Peters ist seit September 2022 Südasien-Korrespondentin für Radio SRF und berichtet von Indien aus über Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Nepal, Bhutan und die Malediven. Zuvor war sie Wirtschaftsredaktorin bei Radio SRF. Dabei beschäftigte sie sich insbesondere mit internationaler Wirtschafts- und Entwicklungspolitik sowie Nachhaltigkeits- und Rohstofffragen.

Was ist mit den verschwundenen Frauen passiert?

Die meisten der vermissten Frauen in Indien sind von zu Hause weggelaufen, weil sie einen Mann kennengelernt haben – oftmals in den sozialen Medien –, mit dem ihre Familie nicht einverstanden wäre. Denn man muss wissen: In Indien werden die allermeisten Heiraten von den Familien arrangiert, Liebesheiraten sind hier eher die Ausnahme – erst recht über Konfessionsgrenzen hinweg.

Viele Mädchen und Frauen, gerade aus armen Verhältnissen, werden in Indien allerdings auch Opfer von Menschenhandel. Sie enden dann als Kinderarbeiterinnen zum Beispiel in Ziegelwerken, als Haushaltshilfen oder in der Prostitution.

200 Menschen verschwinden in der Schweiz

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In Indien leben inzwischen mehr als 1.4 Milliarden Menschen. Angesichts dieser riesigen Bevölkerungszahl ist das Verschwinden von 1.3 Millionen Frauen und Mädchen innert dreier Jahre etwas zu relativieren. Viele tauchen nach ein paar Tagen auch wieder auf.

Verglichen mit den acht Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in der Schweiz wären das rund 2500 Frauen und Mädchen, die jedes Jahr verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen.

Tatsächlich zeigt die Statistik, dass von den jedes Jahr rund 5000 als vermisst gemeldeten Personen in der Schweiz die allermeisten nach kurzer Zeit wieder auftauchen. Doch rund 200 von ihnen bleiben jedes Jahr unauffindbar.

Droht nicht neue Abhängigkeit?

Vor allem ärmere Frauen sind finanziell meistens komplett abhängig von ihrer Familie – und wenn sie mit einem Liebhaber durchbrennen, sind sie dann von ihm abhängig. Häufig werden sie von diesem denn auch nach kurzer Zeit fallen gelassen und kehren zu ihrer Familie zurück. Auch das zeigt der Bericht der indischen Kriminalbehörden.

Was tut die Regierung gegen das Problem?

Die indische Regierung verweist darauf, dass sie eine landesweite Notrufnummer für Frauen in Not eingerichtet und das Strafrecht verschärft hat – doch das ist schon alles. In Tat und Wahrheit schaut die Polizei oftmals weg, wenn Mädchen oder Frauen verschwinden.

Manchmal nimmt sie nicht einmal die Anzeige der Angehörigen der verschwundenen Person auf. Die Erwartungen der Bevölkerung an die Behörden sind sehr niedrig – viele Inderinnen und Inder gehen davon aus, dass die Regierung sowieso nichts tut. Dass Frauen verschwinden, vergewaltigt oder ermordet werden, liest man in indischen Zeitungen jeden Tag – es ist fast schon normal, dass so etwas passiert.

Was sagen Frauenorganisationen dazu?

Frauenaktivistinnen kritisieren die Regierung und verlangen, dass das Problem viel breiter und fundamentaler angegangen werden muss. Vor allem müsse die Position von Frauen in der Familie und der Gesellschaft gestärkt werden. Frauen mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Bildung würden nicht mit dem erstbesten Mann durchbrennen – und nach kurzer Zeit wieder sitzen gelassen, sagen Frauenvertreterinnen.

Das Zauberwort ist hier: Bildung. Eine nachhaltig bessere Bildung für die Frauen in Indien würde allerdings einen riesigen Effort bedingen – doch das hat für die Regierung keinerlei Priorität. Hinzu kommt: Auch viele Familien wollen nicht in die Bildung ihrer Töchter investieren. Denn wenn diese heiraten, wäre die Investition für die Katze, so die in Indien verbreitete, konservative Haltung.

SRF 4 News, 2.8.2023, 08:20 Uhr ; 

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