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Die schlecht instruierte Polizei soll Hassredner verfolgen
Aus Echo der Zeit vom 03.04.2024. Bild: Imago/Vagelis Georgariou
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Diskriminierung hart bestrafen Umstrittenes Anti-Hassrede-Gesetz in Schottland tritt in Kraft

Das gut gemeinte Gesetz produziert nicht unbedingt weniger Hass – sondern vor allem mehr Verwirrung.

Im Zeitalter der sozialen Medien, in dem Hemmungen fallen und Ausfälligkeiten mit digitalem Beifall belohnt werden, spricht vieles dafür, Gegensteuer zu geben. Genau das tut die schottische Regierung.

Wer andere Menschen verbal beleidige und verletze, mache sich in Schottland künftig strafbar, erklärte Siobhian Brown, Ministerin für Opfer und Gemeindesicherheit am 1. April gegenüber der BBC.

«Menschen sollen nicht mehr aufgrund von Vorurteilen beleidigt und diskriminiert werden.» So wolle man das gesellschaftliche Zusammenleben sicherer und friedlicher machen.

Bis zu sieben Jahre Gefängnis

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Wer Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Alter, Hautfarbe oder Behinderung verbal diskriminiert, muss in Schottland künftig mit einer Gefängnisstrafe bis zu sieben Jahren rechnen.

Verletzende Äusserungen können anonym bei über 400 Meldestellen rapportiert werden. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Aussagen im Internet, im öffentlichen Raum oder in den eigenen vier Wänden stattgefunden haben. Kritikerinnen und Kritiker fürchten das Ende der Redefreiheit.

Die Veranstalter des jährlichen Satire-Festivals in Edinburgh befürchten Zensur – und David Kennedy, Generalsekretär der schottischen Polizeigewerkschaft sehr viel Arbeit: «Die Umsetzung dieses Gesetzes wird nicht einfach, weil kein Geld vorhanden ist, um uns Polizisten dafür richtig auszubilden. Wir hatten lediglich eine zweistündige Online-Ausbildung.»

Schwammig formulierter Gesetzestext

Sorgen bereitet das Gesetz selbst Menschenrechtsaktivisten. Hassreden zu verbieten, sei absolut richtig, heisst es dort. Ob dabei aber dieses Gesetz hilfreich ist, sei fraglich. Viele Schlüsselbegriffe des Gesetzes seien völlig vage formuliert, sagt der Jurist Peter Tatchell.

Wie definiert man im rechtlichen Sinn ‹bösartig›?
Autor: Peter Tatchell Jurist und Menschenrechtsaktivist

«Was heisst zum Beispiel ‹Hass›? Im neuen Gesetz ist dieser Begriff nicht definiert. Was ist eine ‹absichtliche› oder ‹bösartige› Äusserung? Wie definiert man im rechtlichen Sinn ‹bösartig›? Was heisst, die Behörden sollen Anzeigen ‹angemessen und verhältnismässig› verfolgen?»

Das alles seien subjektive Einschätzungen, die viel Interpretationsspielraum offen liessen, so Tatchell. Verbote auf einem gesellschaftspolitisch so heiklen Terrain müssten aber glasklar formuliert sein, sagte der Menschenrechtsaktivist der BBC.

Ministerin nimmt Polizisten in die Pflicht

Zu viele Fragen blieben unbeantwortet: Ist es nun strafbar, zu behaupten, es gebe nur zwei biologische Geschlechter? Oder muss die Polizei aktiv werden, wenn jemand eine Trans-Frau absichtlich als Mann bezeichnet? Solche Fragen brachten gegenüber der BBC selbst die schottische Opfer-Ministerin ins Schleudern.

Als Ministerin mische ich mich nicht in den operativen Alltag der Polizei ein.
Autor: Siobhian Brown Opfer-Ministerin Schottlands

«Ob ein Strafbestand vorliegt, muss jeweils die Polizei entscheiden. Als Ministerin mische ich mich nicht in den operativen Alltag der Polizei ein», sagte Ministerin Brown. Die Beamtinnen und Beamten seien für die neue Aufgabe ja entsprechend ausgebildet worden.

Britische Medien sprechen von einem Aprilscherz

Unklar bleibt für die Polizistinnen und Polizisten nach dem zweistündigen Online-Lernkurs etwa auch, was mit Leuten passiert, die in England verletzende Äusserungen verbreiten und anschliessend nach Schottland reisen.

Werden sie an der schottischen Grenze verhaftet? Auch hier müsse sie das genaue, operative Vorgehen der englischen und schottischen Polizei überlassen, meinte Ministerin Brown.

Ihr Interview mit der BBC brachte nicht unbedingt Klärung. Einige britische Medien sprachen gar von einem Aprilscherz. Der spöttische Vergleich wird dem Anliegen jedoch nicht gerecht. Das Gesetz ist gut gemeint, aber nicht zu Ende gedacht.

Denn es produziert in dieser schwammigen Form nicht unbedingt weniger Hass, sondern mehr Verwirrung.

Echo der Zeit, 3.4.2024, 18:00 Uhr

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