Grosse Gipfeltreffen sind unberechenbar geworden. Plötzlich drängen Themen auf die Agenda, die gar nicht vorgesehen waren. Oder werden auf die Agenda gedrängt.
Unerwünschte Gipfelstoffe: Ostukraine und Griechenland
Viele sehen in der jüngsten Zuspitzung in der Ostukraine den bewussten Versuch des zum G7-Gipfel nicht eingeladenen russischen Präsidenten Wladimir Putin, dort dennoch den Ton anzugeben.
Auch die Griechenland-Krise könnte zum unerwünschten Gipfelstoff werden, meint SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger.
Dabei hat Gastgeberin Angela Merkel eigentlich anderes im Sinn. Wie schon auf ihrem ersten Gipfel, den sie vor acht Jahren in Heiligendamm leitete, will sie wieder als Klimakanzlerin auftreten: «2015 müsste man eigentlich das Jahr der Nachhaltigkeit nennen. Ob wir das dürfen, müssen wir entscheiden, wenn das Jahr vorbei ist. Auf jeden Fall: Die Chancen dazu sind da».
G7-Gipfel in die Jahresagenda eingebettet
Für sie ist klar: die westlichen Wirtschaftsmächte müssen eine Vorreiterrolle spielen: «Deshalb ist der G7-Gipfel sehr eingebettet in die Agenda dieses Jahres.» Bereits im Dezember findet in Paris die für die Zukunft der Welt enorm wichtige Uno-Klimakonferenz statt.
Die Erfolgschancen sind zurzeit eher bescheiden. Denn in vielen Hauptstädten steht die Klimapolitik nicht oben auf der Prioritätenliste. Die Chancen sind noch geringer, wenn die reichen Staaten nicht mit gutem Beispiel vorangehen. Das weiss Merkel natürlich: «Die sieben führenden Industrienationen können und sollten auch zeigen, dass sie ihrer besonderen globalen Verantwortung Rechnung tragen.»
Harte Kritik von Umweltschützern
Nur wenn sie auf ihrem Gipfel auf Schloss Elmau vorankommen, dürften sich die Schwellen- und die Entwicklungsländer ihrerseits bewegen. Dass Merkel an ein Thema anknüpft, das ihr in den ersten Jahren der Kanzlerschaft wichtig war, ist nicht selbstverständlich. In jüngster Zeit wurde sie von Umweltschützern als Kohle-, und nicht als Klimakanzlerin bezeichnet. Sie tue viel zu wenig, um Deutschland von der extrem umweltschädlichen Kohle-Energie wegzubringen.
Auf dem Uno-Klimagipfel 2014 in New York glänzte Merkel gar durch Abwesenheit. Doch nun hat sie sich offenbar wieder umbesonnen.
Schutzmacht: 20'000 Polizisten
Die Kanzlerin hat friedliche Demonstrationen gegen den G7-Gipfel als lebendige Demokratie gewürdigt und zugleich das Treffen gegen Kritik verteidigt. «Wir haben in der Geschichte Europas gesehen, wohin es geführt hat, wenn nicht gesprochen wurde», sagt sie.
Das Treffen von sieben Staats- und Regierungschefs wird wegen Millionen-Kosten, massiven Sicherheitsvorkehrungen und angeblich vagen Beschlüssen in Frage gestellt. «Die Regierungschefs der G7 müssen in einer Welt voller Konflikte die Möglichkeit haben, auf einem solchen Gipfel miteinander zu beraten», argumentierte Merkel. In Südbayern schützen weit mehr als 20'000 Polizisten den G7-Gipfel der grossen Industrienationen USA, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien.
Erlaubnis für Proteste «in Hör- und Sichtweite»
Die Behörden untersagten einen Protestmarsch tausender Globalisierungskritiker bis direkt zum Austragungsort Schloss Elmau. Allerdings dürfen auf Gerichtsbeschluss vom Freitag bis zu 50 G7-Gegner «in Hör- und Sichtweite» des Politiker-Treffens demonstrieren. Die Gegner beklagen, es werde zu wenig für Klimaschutz, Armutsbekämpfung und Chancengleichheit getan.
Erste Demonstrationen in Garmisch blieben am Freitag friedlich. Grüne und Linke kritisierten den Gipfel als martialisch, überflüssig und viel zu teuer. Der Gipfel kostet etwa 130 Millionen Euro.
Man kann von einem Sonntag und einem Montag in Elmau nicht die Lösung aller Konflikte erwarten
Die G7 stehen für ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung, aber nur elf Prozent der Weltbevölkerung. In Elmau geht es unter anderem um die Weltwirtschaft, das Klima, Frauenrechte und den Kampf gegen Armut. Ausserdem werden die Krisen in Syrien und der Ukraine ebenso auf der Agenda sein wie die erheblichen Finanzprobleme Griechenlands und der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus.
Merkel warnte für die Bewältigung internationaler Krisen vor zu hohen Erwartungen an den Gipfel: «Man kann von einem Sonntag und einem Montag in Elmau nicht die Lösung aller Konflikte erwarten.» Zur Ukraine-Krise kündigte sie lediglich eine Bestandsaufnahme der Umsetzung des Minsker Friedensabkommens vom Februar an. «Auf diesem Weg müssen wir weitergehen, aber er wird weiterhin Zeit brauchen.» Vor dem Gipfel spitzte sich der Konflikt in der Ostukraine wieder zu.
Geheimdienstaffäre bei Brotzeit und Bier
Die Rückkehr Russlands in die Gruppe acht wichtiger Industrienationen (G8) hält Merkel derzeit für unrealistisch. Russland war 2014 nach der Annexion der Krim aus der G8 ausgeschlossen worden. «Eine Teilnahme Russlands ist zurzeit nicht vorstellbar», sagte die Kanzlerin. Sie betonte aber: «Manche Konflikte, etwa den in Syrien, können wir ohne Russland gar nicht lösen.» Sie halte deshalb regelmässig Kontakt zu Kremlchef Wladimir Putin.
Die deutsch-amerikanische Geheimdienstaffäre will Merkel am Rande des G7-Gipfels mit US-Präsident Barack Obama nicht zum grossen Thema machen. Sie trifft ihn am Sonntagvormittag auch zu einer Begegnung mit Bürgern in dem kleinen Ort Krün zu Brotzeit und Bier.