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Zwei Personen mit Plakaten in den Händen, eines ist eine Karikatur, welche einen Stinkefinger zeigt, der aus einer «Charlie Hebdo»-Ausgabe hervorsticht..
Legende: Solidarität mit «Charlie Hebdo»: Satire darf alles, aber: «nicht alles, was publiziert wird, ist auch gut», sagt Imhof. Keystone

International «Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch gut»

Die Diskussion um Pressefreiheit und mögliche Grenzen für Satire ist nach dem Anschlag auf «Charlie Hebdo» in vollem Gange. Die Pressefreiheit sei unantastbar, sagt auch der Soziologe Kurt Imhof. Trotzdem sei nicht alles, was veröffentlicht werde, «zielführend» und gut.

SRF: Gibt es für Sie Grenzen der Pressefreiheit?

Kurt Imhof

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Kurt Imhof ist Professor für Soziologie und Publizistik an der Universität Zürich. Dort leitet der streitbare Historiker und Soziologe das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft. Die Schwerpunkte seiner Forschung liegen u.a. in der Öffentlichkeits- und Mediensoziologie, der Gesellschaftssoziologie sowie der Religionssoziologie.

Kurt Imhof: Es gibt eine moralisch-ethische Grenze der Pressefreiheit. Diese Grenze ist fliessend und nicht im positiven Recht festgelegt. Doch man darf von öffentlichen Medien Anstand erwarten, auf jeden Fall eine Position, die nicht den Zivilisationskrieg ausruft. Das heisst: Nicht alles, was erlaubt ist, ist auch gut.

Gehen Satire-Zeitschriften wie «Charlie Hebdo» oder die «Titanic» in Deutschland über diese Grenzen hinaus?

Meines Erachtens ja. Ursprung ist ja die rechtskonservative dänische Zeitung «Jyllands-Posten». Sie veröffentlichte die Mohammed-Karikaturen ganz bewusst als anti-muslimische Aktion. Sie machte dies auch, um unter der damals rechtspopulistischen dänischen Regierung auf sich aufmerksam zu machen. Die Zeichnungen wurden von anderen Satire-Zeitschriften übernommen, die dadurch für sich selber viel Werbung machen konnten. Ich halte Verunglimpfungen von Religionen nicht für eine publizistische Heldentat.

Satire muss sich aber schon auch Religionen vorknöpfen dürfen?

Selbstverständlich. Satire darf und sollte sich jedem Thema annehmen. Aber die Verunglimpfung von Religionen dient bloss dazu, dass wir Mehrheiten- und Minderheitenkonflikte haben, die sich aufladen und Effekte zeitigen, die wir nicht mehr kontrollieren können. Das sehen wir an den Trittbrettfahrern anti-islamistischen Hintergrunds in Europa, welche die Ereignisse in Paris für ihre Zwecke nutzen.

Karikaturen von nackten Religionsführern mit Gegenständen im Anus sind wenig zielführend.

Heisst das, die Diskussion um Pressefreiheit und Satire wird etwas zu einseitig geführt? Müsste man auch «Charlie Hebdo» etwas zur Ordnung rufen?

Man muss eine Diskussion darüber führen, was dienlich ist. Die Karikaturen von «Charlie Hebdo» und auch jene, welche das Magazin 2005 von «Jyllands-Posten» nachdruckte, sowie jene, welche «Charlie Hebdo» 2011 und 2012 selber machte, waren ganz einfach nicht lustig. Ich finde, von Satire und Karikaturen sollte man einen Verfremdungseffekt erwarten dürfen, der auch mit Humor arbeitet. Das darf auch schwarzer Humor sein. Aber wieso man die symbolischen Figuren von Religionsführern nackt oder mit Gegenständen im Anus zeigen sollte, halte ich weder für witzig noch für zielführend. Das ist eine Beleidigung von vielen gläubigen Menschen. Das gilt für alle Religionen.

Stellt sich da nicht das Problem, dass man sich im Bereich von Humor und Geschmack bewegt? Jeder findet ja etwas anderes lustig.

Sicher, das ist der Bereich moralisch-ethischer Erwägungen. Und genau deshalb müssen wir über moralisch-ethische Erwägungen sprechen. Die Pressefreiheit manifestiert sich nicht in der Verunglimpfung von religiösen Symbolfiguren. Sie darf vieles und soll dies auch dürfen. Wir müssen dafür einstehen, dass das, was «Charlie Hebdo» und «Jyllands-Posten» machten, innerhalb der Pressefreiheit möglich ist. Trotzdem darf man auch sagen dürfen, dass das nicht sehr klug ist – und darüber hinaus auch nicht witzig.

Wird bei der Medienfreiheit nicht auch mit verschiedenen Ellen gemessen? «Charlie Hebdo» erhält viel Rückendeckung – Wie wäre es, wenn z.B. eine rechtsaussen-Partei wie die NPD in Deutschland solche Karikaturen veröffentlich hätte? Da würde es wohl anders tönen?

Da haben Sie vollkommen recht. Die Diskussion 2005 beim Fall «Jyllands-Posten» in Dänemark war viel stärker politisch geladen, weil die Hintergründe des Anti-Islamismus klar waren. Wenn aus NPD- oder Pegida-Kreisen solche Karikaturen gemacht würden, würden sich sehr viel mehr Leute kritisch auf einer moralisch-ethischen Ebene damit auseinandersetzen.

Das Interview führte Andrea Christen.

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