Italien richtet sich auf eine lange Hängepartie bei der am Sonntag beginnenden Parlamentswahl ein. Die Spitzen der grossen Bündnisse und Parteien traten auch am Freitag an, um noch die vielen unentschlossenen Wähler mit Grossveranstaltungen zu erreichen.
Offensichtlich im Aufwind, hatte die populistische Protestbewegung «Fünf Sterne» des Komikers Beppe Grillo für den Abend in Rom zu einer Massenkundgebung aufgerufen. Grillo war in den vergangenen Wochen mit seiner «Tsunami-Tour» genannten Kampagne von Piazza zu Piazza gezogen und hatte zuletzt auf dem Mailänder Domplatz vor Zehntausenden zu einem «Sturm auf Rom» aufgerufen.
Ein Gespenst namens Grillo
Umfragen dürfen nicht mehr veröffentlicht werden, die dennoch gemachten «lassen die Parteien zittern», meinte der rechtsliberale Mailänder «Corriere della Sera».
Denn während die Finanzmärkte und Politiker in Europa ein Comeback des umstrittenen Ex-Premiers Silvio Berlusconi befürchten, zeigen die Befragungen dem Blatt zufolge alle das Szenario einer «Grillo-Lawine»: Der gegen den Euro und die «Politiker-Kaste» wetternde Grillo liege inzwischen an zweiter Stelle, hinter dem seit langem führenden Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani.
Die «Bewegung» nehme ständig zu, wobei der Abstand zwischen den beiden Kräften aber nicht «überbrückbar» sei. Wie gross die Befürchtungen sind, machen Attacken Bersanis und des Regierungschefs Mario Monti gegen die Bewegung Grillos deutlich.
Mit den Populisten laufe Italien Gefahr, so wie Griechenland immer mehr auf eine abschüssige Bahn zu geraten, hatte Bersani gewarnt. Monti nannte den Boom der Bewegung am Vortag gefährlich für die Stabilität des Landes.
Berlusconi angeblich chancenlos
Die linke Demokratische Partei (PD) Bersanis müsse vor allem um Monti als möglichen Partner in einer Regierungskoalition bangen, meinten politische Beobachter.
Das Bündnis der Mitte, welches den abtretenden parteilosen Regierungschef wieder ans Ruder bringen will, droht den letzten veröffentlichten Umfragen zufolge zwischen Berlusconi, Bersani und Grillo aufgerieben zu werden.
«Absolut unwahrscheinlich» sei eine neue Regierung Berlusconi, meinte der frühere italienische Ministerpräsident Lamberto Dini. «Seine Partei kann sich keine berechtigte Hoffnung auf eine Mehrheit machen, um das Land abermals zu regieren», erklärte der Vorsitzende der Auswärtigen Ausschusses im Senat.
Bei der Wahl im Senat, der zweiten Parlamentskammer, drohe aber ein Gleichstand. Sollten Bersani und Monti dort keine Mehrheit haben, sei Staatspräsident Giorgio Napolitano gefragt, so Dini. Dann könnte es ein breiteres Regierungsbündnis für Reformen geben.