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Stoltenberg verkündet Einigung im Nato-Streit
Aus 10 vor 10 vom 10.07.2023.
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Erdogan gibt Blockade auf Nato-Gipfel startet mit Durchbruch für Beitritt Schwedens

  • Die Türkei will den Nato-Beitritt von Schweden nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht länger blockieren.
  • Die türkische Führung hatte sich zuvor seit gut einem Jahr gegen den schwedischen Beitritt gewehrt.
  • Ankara verwies jeweils darauf, dass Schweden nicht ausreichend gegen «Terrororganisationen» vorgehe – gemeint war vor allem die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.

Erdogan und der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson hätten bei einem Treffen eine Reihe von Schritten vereinbart, auf deren Grundlage Erdogan dem türkischen Parlament das Beitrittsprotokoll zur Entscheidung vorlegen werde, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montagabend in der litauischen Hauptstadt Vilnius.

Die Abstimmung in der Grossen Nationalversammlung der Türkei gilt als Formsache. Erdogans islamisch-konservative AKP hat im Bündnis mit den Ultranationalisten im Parlament eine komfortable Mehrheit. Mit Beratungen über die weitere Unterstützung der Ukraine und den Ausbau der Abschreckung und Verteidigung gegen Russland beginnt der zweitägige Nato-Gipfel an diesem Dienstag in Litauen.

SRF-Korrespondent zur Aufweichung der Fronten

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«Diese Woche schienen die Fronten verhärtet», sagt SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck in Vilnius. «Man hatte den Eindruck, dass es nicht möglich sein wird, an diesem Nato-Gipfel eine Einigung zu erzielen.» Am Montagabend sei dann offenbar Bewegung in die Sache gekommen.

«Bei der Ankündigung der Einigung hiess es, dass man sich bei der Umsetzung der Terrormassnahmen, die grundsätzlich bereits im letzten Jahr verabschiedet worden waren, nun einig geworden sei», so Ramspeck. «Was genau sich da verändert hat, blieb sehr vage. Man wolle beispielsweise regelmässige Treffen abhalten. Es schien am Ende ein Deal zu sein, der faktisch gar nicht so viel verändert, aber der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan scheint eingelenkt zu haben.»

Stoltenberg will, dass von dem Spitzentreffen ein klares Signal an Russlands Präsident Wladimir Putin ausgeht. Dieser muss nach Auffassung des Norwegers einsehen, dass der Krieg gegen die Ukraine zum Scheitern verurteilt ist und jede Aggression gegen einen Nato-Staat eine entschlossene Reaktion des gesamten Bündnisses zur Folge hätte.

Grosse Erleichterung in Vilnius

Der Streit um Schwedens Nato-Mitgliedschaft drohte das Treffen in Vilnius zu überschatten. Entsprechend gross war die Erleichterung, nachdem Erdogan seine Blockadehaltung aufgegeben hatte. Schwedens Ministerpräsident Kristersson sagte: «Das ist ein guter Tag für Schweden gewesen.»

US-Präsident Joe Biden begrüsste die Entscheidung der Türkei und sagte, er freue sich darauf, Schweden als 32. Nato-Mitglied willkommen zu heissen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete die Einigung auf Twitter als «historischen Schritt».

Nato-Generalsekretär Stoltenberg verwies auf mehrere Schritte, die Schweden vollzogen hatte, darunter Änderungen an der Verfassung und an Gesetzen, eine Ausweitung von Anti-Terror-Kooperationen gegen die kurdische PKK und die Wiederaufnahme von Waffenexporten in die Türkei. Beide Staaten wollen künftig bilateral über Sicherheit sprechen.

«In Nordeuropa beginnt eine neue Zeitrechnung»

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Schweden wird Teil der Nato. SRF-Nordeuropa-Korrespondent Bruno Kaufmann ordnet die Bedeutung ein: «Ganz Schweden ist überrascht, erleichtert, aber auch erschüttert. Die historische Bedeutung ist nicht zu unterschätzen. Man ist nach 200 Jahren Unabhängigkeit Teil einer Militärallianz. Eine Lebensversicherung gegenüber dem unberechenbaren und aggressiven Nachbarn im Osten. Ein Stück weit geht nun auch eine Vision in Erfüllung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Schweden bereits mit den nordischen Nachbarn eine Verteidigungsallianz aufbauen. Dänemark und Norwegen traten damals bereits der Nato bei. Finnland blieb unter dem sowjetischen Schirm. Nun kommen all diese Ländern erstmals unter das gleiche sicherheitspolitische Dach. Mit dieser Einigung beginnt in Nordeuropa eine neue Zeitrechnung. 

Die Nato werde zudem erstmals den Posten eines Sonderkoordinators für Anti-Terror-Aufgaben bekommen, so Stoltenberg. Einer Antwort auf die Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich er aus.

Erdogan brüskiert Nato-Partner mit Forderung

Überraschend hatte Erdogan kurz vor dem Gipfelstart die Zustimmung seines Landes zur Aufnahme Schwedens in die Nato zunächst davon abhängig gemacht, dass der vor Jahren auf Eis gelegte EU-Beitrittsprozess für die Türkei wieder aufgenommen wird.

«Erdogan will Haltung als Sieg gegenüber dem Westen verkaufen»

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Das türkisch-schwedische Verhältnis war zuletzt nicht einfach. Nun stimmt Erdogan dem schwedischen Nato-Beitritt doch zu. Wie passt das alles zusammen? Antworten des freien Journalisten in Istanbul, Thomas Seibert: «Für Erdogan kommt es darauf an, die Kehrtwende zuhause als Sieg der Türkei gegenüber dem Westen verkaufen zu können. Die regierungsnahe Presse in der Türkei feiert die angeblichen Zugeständnisse der Europäer an die Türkei, etwa beim visumsfreien Reiseverkehr. Es wird ein Bild vermittelt, dass sich die Türkei in wichtigen Punkten durchgesetzt hat. Das ist für Erdogan leicht zu bewerkstelligen, weil er eben einen Grossteil der Medien in der Türkei kontrolliert.

Problematisch ist dies, weil die EU der Türkei seit Jahren vorwirft, demokratische und rechtsstaatliche Standards nicht zu erfüllen. Eine Aufnahme der Türkei gilt deswegen auf Jahre hinaus als illusorisch.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) etwa sprach sich klar gegen eine Verknüpfung des Nato-Beitritts Schwedens mit dem EU-Beitrittsprozess der Türkei aus. Beide Fragen hingen nicht miteinander zusammen.

SRF 4 News, 10.07.2023; 22:00 Uhr;

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