Zum Inhalt springen

Verheerende Flutkatastrophe Die Hilfe für Libyen gestaltet sich schwierig

Bürgerkrieg, Minen, Zerstörung erschweren Hilfslieferungen – angestrebt wird eine Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort.

Nach den schweren Überschwemmungen im Osten Libyens läuft die internationale Hilfe langsam an – eine grosse Herausforderung angesichts des seit 2011 andauernden Machtkampfes und Krieges im Land.

Das Schweizerische Korps für Humanitäre Hilfe schickt vorderhand kein eigenes Team nach Libyen. Man unterstütze stattdessen Organisationen finanziell, die bereits vor Ort tätig sind, heisst es beim Aussendepartement (EDA).

Nur wenige Hilfsorganisationen vor Ort

Allerdings sind das nur noch wenige, denn wegen des Bürgerkrieges haben sich in den letzten Jahren immer mehr Hilfsorganisationen ganz aus Libyen zurückgezogen.

Tausende Todesopfer allein in Derna

Box aufklappen Box zuklappen
Zerstörte Stadt Derna.
Legende: Keystone/Yousef Murad

Die Zahl der Todesopfer in den Überschwemmungsgebieten in Libyen könnte Befürchtungen zufolge noch sehr deutlich steigen. Besonders grauenhaft ist die Lage in der Hafenstadt Derna. «Ausgehend von den zerstörten Bezirken in der Stadt können es 18'000 bis 20'000 Tote sein», sagte Bürgermeister Abdel-Moneim al-Gheithy dem arabischen Fernsehsender Al-Arabija.

Der Sturm «Daniel» hatte am Sonntag das nordafrikanische Land erfasst. Im Hinterland von Derna brachen zwei Dämme, die Wassermassen spülten ganze Viertel der 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Stadt ins Meer. Ganze Strassenzüge sind in meterhohem Schlamm versunken. Rettungsteams suchten in den Trümmern weiter nach Überlebenden, doch die Hoffnung schwindet zusehens.

Derweil läuft die Hilfe aus dem Ausland langsam an: Aus Deutschland etwa sollen noch heute Donnerstag Transportflugzeuge der Luftwaffe Hilfe nach Libyen bringen. Laut Angaben des Technischen Hilfswerks handelt es sich um 100 Zelte mit Beleuchtung, 1000 Feldbetten, 1000 Decken, 1000 Isomatten und 80 Stromgeneratoren. Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kündigte an, dass ein Notfallteam in der am stärksten von der Katastrophe heimgesuchten Stadt Derna eintreffen soll. (dpa)

Einer, der vergleichbare Situationen kennt, ist Fred Lauener. Als unabhängiger Konsulent berät er Hilfsorganisationen, wie jene des Bundes oder die private Caritas, bei ihren Einsätzen. Grundsätzlich sei die Hilfe für Libyen schwierig, sagt Lauener, man müsse mit anderen Ländern zusammenarbeiten, die bereits vor Ort aktiv sind. Als Beispiel nennt er die Türkei.

Eine weitere Möglichkeit sei die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen. So habe man auch früher schon Hilfsgüter über Ägypten bis an die libysche Grenze gebracht und sie dort libyschen Organisationen übergeben zum Weitertransport. «Sie können die Güter ins rund 400 Kilometer entfernte Katastrophengebiet bringen.»

Aus Sicherheitsgründen liefert man also bis an die Grenze, dann übernehmen libysche Organisationen.

Hilfsbedarf vor Ort abklären

Nichtregierungsorganisationen können indes etwas flexibler und unabhängig von einer staatlichen Flagge agieren. In Libyen sei das ein Vorteil, sagt Pierre Trouche von Handicap International. «Es gibt immer aber auch Unvorhergesehenes, das passieren kann.» Deshalb könne es auch für kleine NGOs Probleme geben, so Trouche.

Er selber fliegt in Kürze nach Libyen, um den Hilfsbedarf vor Ort abzuklären. «Wir wollen zunächst die Rettung von Personen unterstützen.» Dabei gehe es in einem ersten Schritt darum, die Zusammenarbeit mit ausländischen Rettungskräften und libyschen Helfern zu organisieren.

Gefahr durch weggeschwemmte Minen

Viele Vermisste, Tote, nicht funktionierende Trinkwasserversorgung: Das seien die grossen ersten Herausforderungen, sagt Trouche.

Und wegen der seit zwölf Jahren immer wieder ausbrechenden Kriege sei Libyen eines der am stärksten verminten Länder der Welt: «Es wird eine Herausforderung, zu verstehen, wie sich die verminten Zonen nach der Flut entwickeln.»

Flut, interne Konflikte, Minen: Für die Helfer in Libyen wird der Einsatz damit noch zusätzlich erschwert.

HeuteMorgen, 14.9.2023, 07:00 Uhr

Meistgelesene Artikel