«Es war mein erster Auftrag für die ‹New York Times›. Die Redaktion hatte einen Fotografen in Zürich gesucht und einige Tage vorher angerufen, ob ich verfügbar sei. Worum es ging, sagten sie mir damals noch nicht.
Dass es sich um eine Verhaftung handelte, erfuhr ich erst kurz vorher. Klar steigt da der Puls, das will man nicht vermasseln – erst recht nicht für die ‹New York Times›. Ich stellte mir drei Wecker und war gegen halb sechs in der Hotellobby, wo es zu diesem Zeitpunkt noch ruhig war. Kurz nach sechs Uhr gab es dann Bewegung: Mehrere Polizisten in Zivil kamen herein; die hat man ziemlich schnell erkannt.
Es ist wohl die Komposition, die das Bild besonders macht
Mir war dann bald klar, dass die Verhafteten wohl nicht über die Lobby abgeführt werden würden. Ich sah mich also draussen um und fand einen Seiteneingang. Ein Polizist und der Concierge versuchten zunächst, mich daran zu hindern, Bilder zu machen. Ich wechselte mehrmals die Strassenseite und irgendwann kam dieser ominöse Opel Corsa angefahren. Dann ging es schnell: Der Concierge breitete ein Leintuch aus – und dahinter wurde jemand in das Auto gebracht. Das Leintuch hatte plötzlich Beine bekommen.
Ich denke, es ist wohl die Komposition, die das Bild besonders macht: Dieses weisse Tuch, das für Diskretion steht, darüber das Schild mit der Aufschrift «Vanity» – Eitelkeit. Und dann natürlich diese Füsse, die unter dem Leintuch hindurchlaufen und in das kleine Auto steigen. Ich finde, das Bild sagt unheimlich viel aus über diese Funktionäre. Gleichzeitig stellt es aber niemanden an den Pranger – das gefällt mir.
Letztlich hat es für das Bild eine gute Portion Glück gebraucht. Wie viel ich davon hatte, ist mir aber erst später bewusst geworden. An jenem Morgen stand mein Telefon nicht mehr still, ich bekam Emails aus der ganzen Welt.
Hat sich das Bild auch finanziell gelohnt? Ich verdiene bei jedem Abdruck mit, weil der Auftraggeber das Copyright mit mir teilt. Ob es nun wirklich ein Sechser im Lotto war, weiss ich nicht. Aber es war sicher ein Lucky Shot.»
Wissen Sie, von welchem Tag im Jahr 2015 unser Protagonist hier redet? Vielleicht sogar, wer er ist? Die Auflösung gibt es hier.