Er war ein guter Mensch, Bischof Nikolaus von Myra, der barmherzig war und sein beträchtliches Vermögen unter die Armen verteilte und der an einem 6. Dezember rund 350 Jahre nach Christus starb. Zu seinen guten Taten gehörte etwa die Errettung von drei Jungfrauen, die er von der Prostitution freikaufte, indem er unbemerkt Gold durch den Kamin in ihre Stiefel warf.
Der Schmutzli wird weiblich
Und seither kommt er Jahr für Jahr am 6. Dezember, manchmal durch den Kamin, manchmal auch nur mit einem Esel und steckt den braven Kindern Nüsse und Schokolade, den unartigen aber eine Rute in die Stiefel. Eine Legende, die auch mit ein paar Problemen zu kämpfen hat.
Seit geraumer Zeit herrscht in der Schweiz nämlich ein Notstand an männlichen, an richtigen Samichläusen. Dieses Jahr wird es mit männlichen Bewerbungen sogar so eng, dass die grösste aargauische Chlausorganisation sich dazu entschlossen hat, wenigstens den Nikolaus-Gehilfen, den Schmutzli, neu weiblich zu besetzen. Beim Schmutzli mit seinem schwarzem Gesicht und ohne Stimme kein grosses Problem.
Bei der Umbesetzung der Hauptrolle gibt es aber weiterhin nichts zu diskutieren, Kinder erwarten einfach einen Mann, heisst es. Auch im aargauischen Samichlausseminar ist man dieser Meinung. Ist doch der Samichlaus der irdische Stellvertreter des heiligen Nikolaus. Und bei einer Frau sei die Identifikation mit der Ursprungspersönlichkeit einfach nicht mehr gegeben.
Alte Traditionen neu besetzen
Auch Moni Egger, promovierte Theologin und Redaktorin der feministisch-theologischen Zeitschrift fama, findet, dass Frauen besser nicht in diese Rolle schlüpfen sollen – allerdings aus etwas anderen Gründen: «Es wird dann noch mehr zu einem Verkleiden», sagt sie. Diese doch auch männlich geprägten Traditionen müssten zudem ja nicht unbedingt von Frauen übernommen werden.
«Frauen können aber an andere, bestehende Traditionen anknüpfen und so eigene Räume finden», so Egger. Etwa an die Figur von Frau Holle, auch Frau Perchta genannt. Sie sei als die grosse Mutter des Lebens eine Paradefigur und auch in der vor- und nachweihnachtlichen Zeit unterwegs, in der sie mit den noch nicht geborenen und den schon verstorbenen Kindern durch die Welt zieht.
Eher Lebensgesetz als moralische Instanz
Wie beim Samichlaus gibt es auch bei Frau Holle gewisse Regeln zu beachten. «Es darf zum Beispiel nicht gewaschen werden, wenn man trotzdem wäscht, dann darf die Wäsche auf keinen Fall draussen aufgehängt werden», erklärt Egger. Die Wesen könnten in den Kleidern hängen bleiben. Zudem wird ihnen auch Nahrung vor das Haus gestellt.
Weniger als die moralische Instanz in der Samichlaus- und Schmutzli-Tradition übermittelt Frau Holle ein Lebensgesetz. «Wenn man erkennt, was die Zeit von einem möchte, wann die Zeit reif ist, dann wird man vom Leben belohnt. Und wenn man das nicht erkennt, dann bleibt dieser Lohn aus», sagt Moni Egger. Das wäre doch eine echte Alternative zum Samichlaus: Mandarinen, Schokolade, ein paar Goldtaler – und vielleicht noch einen weisen Rat dazu.