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Co-Marketing: Zwei identische Salben – aber doppelter Preis
Aus Espresso vom 07.05.2021. Bild: amavita.ch
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Co-Marketing Zwei identische Salben – aber doppelter Preis

Die beliebte Kyttasalbe gibt es in zwei Varianten zu völlig unterschiedlichen Preisen. Co-Marketing nennt sich das.

Eine «Espresso»-Hörerin aus dem Kanton Bern wird stutzig, als sie in einer Apotheke eine neue Tube Kyttasalbe kaufen will – ein pflanzliches Heilmittel gegen Schmerzen, Prellungen oder Schwellungen. Der Apotheker hat die Salbe gleich zweimal im Angebot: Für rund 26 Franken liegt sie als Kyttasalbe gut sichtbar bei der Theke. Die Kundin sagt, sie sehe diese Verpackung zum ersten Mal.

Die günstige Salbe steckt in der Schublade

Der Apotheker holt deshalb noch eine Kytta-med-Rheumasalbe aus der Schublade – für nur etwa 14 Franken. Auf die erstaunte Nachfrage der Kundin erklärt er, ausser dem Namen gebe es keinen Unterschied. Beide sind vom gleichen Hersteller und haben den identischen Inhalt. Die Kundin kauft darauf das günstigere Produkt und verlässt die Apotheke verärgert: «Hier werden die Kundinnen und Kunden doch über den Tisch gezogen.»

Wie rechtfertigt sich der hohe Preis?

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Kyttasalbe und Kytta med: Zwei identische Salben vom gleichen Hersteller, ein leicht anderer Name, ohne Rezept erhältlich, zu völlig unterschiedlichen Preisen. Wie rechtfertigt sich das? Die Firma Procter and Gamble, welche die Kyttasalbe in der Schweiz vertreibt, bestätigt gegenüber «Espresso»: Der Wirkstoff sei sowohl bei der Kyttasalbe wie auch bei Kytta med der gleiche. Inhaltlich gibt es also keinen Mehrwert. Der höhere Preis orientiere sich an «handelsüblichen Werten». Aus der Branche ist überdies zu hören, dass der Werbeaufwand für die frei erhältlichen Produkte deren Preise in die Höhe drücke. Die Schweizer Firma A. Vogel bringt auf Anfrage die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten für neue Medikamente ins Spiel: «Deshalb ist es für uns als KMU wichtig, alle möglichen Vertriebswege zu nutzen.»

Legaler Trick der Pharmaindustrie

Es handelt sich um einen Fall von Co-Marketing – ein legaler Trick der Pharmabranche, um via Bund und Krankenkasse und gleichzeitig auch im freien Markt möglichst viel Kasse zu machen. Er geht so: Die Hersteller, beziehungsweise die Zulassungsinhaberinnen für den Schweizer Markt, haben die Möglichkeit, ein Medikament zur Aufnahme in die Spezialitätenliste anzumelden, damit es von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet wird. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) prüft, ob sich das Produkt eignet und legt einen möglichst tiefen Preis fest, den die Krankenkassen dann übernehmen. Für solche Mittel braucht es in den meisten Fällen ein Rezept und es darf nicht dafür geworben werden.

Gleichzeitig kann der Hersteller das gleiche Produkt unter geändertem Namen auch zu einem teureren Preis frei in den Verkauf bringen. Er kann in diesem Fall den Preis bestimmen und darf Werbung machen.

Über 700 Co-Marketing-Produkte

Auf der Spezialitätenliste des Bundes sind über 700 Medikamente gelistet, die wie Kytta vom gleichen Hersteller stammen, den gleichen Wirkstoff beinhalten, und als Co-Marketing-Produkte verkauft werden. Bei den meisten braucht es aber für die günstigere Krankenkassen-Version ein Rezept. Doch es gibt Ausnahmen: Neben der Kyttasalbe erhält man zum Beispiel auch das Heuschnupfen-Mittel Telfast / Telfastin Allergo rezeptfrei in einer teuren und einer wesentlich günstigeren Version. Gleiches gilt für die Venentabletten Aesculamed forte / Aesculaforce forte.

Apothekerverband mischt sich nicht ein

Wer das nicht weiss, kann Glück haben und der Apotheker oder die Apothekerin bietet ihm beide Versionen an oder man lässt ihm im Dunklen und kassiert den höheren Preis. Eine Stichprobe des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» in verschiedenen Apotheken zeigt: Man kann das eine oder andere erleben.

Vorgaben an die Apotheken gibt es keine. Man mische sich generell nicht die Geschäftspolitik der Mitglieder ein, heisst es beim Branchenverband PharmaSuisse. Ausser wenn zum Beispiel Sicherheitsnormen verletzt würden.

Der Kunde oder die Kundin muss sich also selbst bemühen, nachfragen und auf einen transparenten Apotheker hoffen. «Sehr störend» findet das Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Sie würde diese Praxis am liebsten verbieten, sieht aber ein, dass sich dies wohl politisch kaum durchsetzen liesse. Schliesslich würde das einen happigen Eingriff in den freien Markt bedeuten. Als realistischer erachtet sie es deshalb, alle Apotheker zur Transparenz anzuhalten.

Espresso, 07.05.2021, 08:13 Uhr

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