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Panorama Die letzten Internetcafés der Schweiz

Dank einer schier magischen Anziehungskraft schossen Internetcafés einst wie Pilze aus dem Boden. Dank unseren Smartphones tun und können wir es aber überall: im Büro, im Bus, sogar auf dem stillen Örtchen. Was aber ist aus all den Internetcafés geworden?

Anfang der Neunziger galten Internetcafés als Tor zur Welt. Damals trafen sich die ersten Internetpioniere in geselliger Runde, aus der eine ganz eigene Netzkultur entstand. Eine Kultur, zu der wir heute rund um die Uhr Zugang haben – somit erübrigt sich für viele der Gang in die Cafés.

Doch noch gibt es sie, die letzten verbleibenden Internetcafés, denen oft ein einschlägiger Ruf voraus eilt. SRF Digital ist in die zwielichtigen Hinterhöfe und hat hinter den verdunkelten Scheiben nachgesehen, wen man heute dort noch antrifft.

Die Zürcher Urania Parkgarage beheimatete einst das erste Zürcher Internetcafé
Legende: Das erste Internetcafé 1995 eröffnete hier das erste Internetcafé der Schweiz. Heute ist es ein Burger-Laden mit gratis Wifi. SRF

Die Anfänge

1995 eröffnete das erste Internetcafé in Zürich an zentraler Lage im Parkaus Urania. An insgesamt neun Internetstationen klebten damals gleich so viele Menschen, dass 2005 eine grosse Modernisierung stattfand. Fortan gab es neben den 32 Internetstationen auch Laser- und Farbdrucker, Faxgeräte, Scanner, CD-Brenner und ein geschultes Personal, dass bei allfälligen Fragen half und Tee, Sandwiches oder Salate vorbeibrachte.

Nur einen Internetzugang bereitstellen würde in Zukunft nicht ausreichen, um die Menschen in die Cafés zu locken, prophezeiten Experten schon damals. Doch damit nicht genug – niemand konnte damals die mobile Revolution der Smartphones voraussehen.

Und so verhalf auch der eigens eingebaute Wickeltisch im Parkhaus Urania nicht zum nachhaltigen Erfolg. Heute stehen wir dort, wo einst die Menschen zum Chatten und Surfen herkamen, vor einem Burger-Laden. Internet wird aber nach wie vor angeboten, als gratis Wifi, wie heutzutage in den meisten Restaurants.

Eine Erfolgsgeschichte?

Der Grundbaustein für die rasante Entwicklung wurde bereits Jahre zuvor gelegt. Mitte der 80er Jahre sah der Bundesrat die Schweiz in einer «Notlage» im Informatikbereich. Um im Vergleich zu anderen Industrienationen diesbezüglich aufzuholen, wurde 1986 Sofortmassnahmen bewilligt, welche man sich 207 Millionen Franken kosten liess.

Bereits ein Jahr später wurden die ersten 2-MBit-Datenleitungen ausgelegt. Heute sind flächendeckende Hochgeschwindigkeitsleitungen Standard in der ganzen Schweiz. Auch im internationalen Vergleich kann man mittlerweile nicht mehr von einer Notlage sprechen.

Doch nicht alle Bevölkerungsschichten haben gleichermassen Zugang zum Internet. Wie die Erhebungen des Bundesamts für Statistik Jahr für Jahr zeigen, sind es vor allem Personen mit niedrigem Einkommen oder Bildungsstand, aber auch ältere Menschen, denen der Zugang zum Internet verwehrt bleibt.

Internet für Armutsbetroffene

Das Kafi Klick bietet kostenloser Internetzugang und Hilfestellung im Internet.
Legende: Die letzten Internetcafés Woher kommt Armut? Und wozu führt sie? Diese Fragen erörtert ein Plakat im Schaufenster. SRF

Dies ist auch der Grund, warum selbst in der Zeit des Internetcafé-Sterbens neue Lokale eröffnet werden. Nie sei die Nachfrage nach Internetcafés für sozial Benachteiligte und Armutsbetroffene so gross gewesen, bekommen wir im Kafi Klick in Zürich erzählt.

Hier ist der Internetzugang kostenlos und das Personal bietet Unterstützung und Einführung sowohl bei den Computern als auch im Internet. Ein solches Angebot ist beliebt: In anderen Städten gibt es ähnliche Initiativen.

Vor allem Armutsbetroffene und Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau haben ganz andere Sorgen, als sich um die Finessen der digitalen Welt zu kümmern. Doch im digitalen Zeitalter müsse man sich mit Computern auseinandersetzten. Denn egal, ob man einen Job, oder eine Wohnung sucht, einen Brief schreiben will oder einen Ausflug plant – heutzutage werden solche Dinge am PC getätigt.

Hinter verdunkelten Scheiben

Während bei Internetcafés, die einem sozialen Auftrag folgen, die Nachfrage stetig steigt, ist sie bei den kostenpflichtigen Internetcafés stetig gesunken. Man findet zwar noch viele Einträge zu Internetcafés in allen Städten, die meisten davon sind allerdings veraltet und führen ins Leere. Ein weiteres Anzeichen dafür, wie plötzlich viele Lokale in den letzten Jahren schliessen mussten.

Nur wenige haben die Jahre überdauert und sind von den Vorreitern zu merkwürdigen Exoten mit zweifelhaftem Image verkommen. Denn in den Schlagzeilen sind die Lokale immer dann, wenn ein Geldwäscherring auffliegt, ein Kunde sich in der Anonymität glaubt und krumme Geschäfte dreht, oder eine Schiesserei hinter verdunkelten Scheiben stattfindet.

Doch die verspiegelten und zugeklebten Scheiben verdecken in den meisten Fällen keine Illegalität, sondern etwas ganz anderes. Denn während man früher an zentraler Lage die jungen Leute traf, sind es heute eher die heruntergekommenen Gegenden, welche die letzten Internetcafés beheimaten.

Das Geschäft sei nicht mehr, was es einmal war, bekommen wir von allen Besitzern erzählt. Während im Jahr 2000 lediglich 0.8 Prozent der Schweizer über eine Hochgeschwindigkeitsleitung verfügten, sind es heute so gut wie alle Haushalte. Und vor allem mobil sind 99.1 Prozent der Schweizer online. Doch noch können Mobiltelefone keine Billette drucken und so kommen viele immer dann ins Internetcafé, wenn das digitale Dokument nicht ausreicht.

Aber nicht für alle ist der Gang ins Internetcafé derart zweckgebunden. Wie bereits zu den Anfangszeiten sind manche Internetcafés ein Treffpunkt für Gleichgesinnte geblieben. Während sich früher die sogenannten «Internet-Freaks» trafen, sind es heute vor allem Ausländer.

Im einen Café treffen sich die Italiener, im nächsten sind es die Polen, Bulgaren und Ungarn und im nächsten stossen wir auf Araber, Türken, Eritreer und Somalier, die gemeinsam Tee trinken und sich ein YouTube-Video anschauen, ein Spielchen gegeneinander wagen, oder in die Heimat skypen. Nur Schweizer, so erzählt man uns, trifft man hier so gut wie nie an.

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