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Energieverbrauch im Internet Warum Streaming viel Strom braucht

Ein Bericht zur Umweltbelastung der IT-Industrie sorgt für Schlagzeilen. ETH Wissenschaftler relativieren.

Videos aus dem Internet sind für uns zur Selbstverständlichkeit geworden, ob über Youtube, Netflix oder Facebook. Das Datenvolumen dieser Streamingdienste ist deshalb in den letzten Jahren explodiert.

Nun schlagen die Autoren eines Berichtes zur Nachhaltigkeit in der IT-Industrie Alarm. Die französischen Wissenschaftler kommen zum Schluss, dass eine Stunde Video-Streaming halb so viel Strom brauche wie ein Backofen. Viele Medien haben über den alarmierenden Befund berichtet mit Schlagzeilen wie «Streaming ist das neue Fliegen.»

Doch Vlad Coroamă vom Departement Informatik an der ETH Zürich relativiert: «Der Bericht ist übertrieben. Der Trend stimmt allerdings, Streaming braucht immer mehr Energie.»

Obwohl die Infrastruktur im Internet immer effizienter werde und jedes Jahr etwa 25 Prozent weniger Energie verbrauche, könne diese Effizienzsteigerung die rasante Zunahme der Datenmenge nicht wettmachen, so der Wissenschaftler. 5G dürfte das Problem noch verschärfen: Mit dem schnelleren Mobilfunkstandart kann man die Filme nicht nur schauen, wann man will, sondern auch, wo man will.

Weder das neue Fliegen, noch das neue Sparen

Vlad Coroamă beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Nachhaltigkeit der IT-Industrie. Er hat ausgerechnet, dass eine Stunde «Game of Thrones» auf einem Tablet in HD-Qualität etwa 80 Wh verbraucht, auf einem Fernseher in 4K-Qualität wären es 220 Wh. Der Bericht geht hingegen von 1000 Wh aus, also rund fünf- bis zehnmal mehr.

«Mit 80Wh bis 220Wh könnte man mit dem Auto zwischen 400 Meter und 1.1 Kilometer zurücklegen», meint der Wisssenschaftler. Für das Flugzeug gelte dasselbe, denn ein Kilometer fliegen oder Auto fahren brauche gleich viel Energie.

Obwohl die Berechnungen des ETH-Wissenschaftlers viel tiefer ausfallen, mag es viele erstaunen, dass Video-Streaming einiges an Strom verbraucht. Das rühre daher, dass wir die Internet-Infrastruktur pauschal bezahlen und nie eine Rechnung präsentiert bekämen für das, was wir tatsächlich konsumieren, meint Vlad Coroamă.

Beim Sparen auf das wesentliche Konzentrieren

Im Vergleich zu dem, was ein Haushalt an Energie konsumiert, ist Streaming hingegen ein kleiner Posten. Wer sparen will, setzt beim Heizen, Fliegen oder Autofahren an.

Auch der Energieaufwand für die Produktion unserer Geräte ist beträchtlich, die wir für das Streaming benützen: «Je kleiner ein Gerät und je kürzer die Lebensdauer, desto grösser ist der Anteil der Energie für die Produktion im Verhältnis zum Gesamtkonsum.» Ein Laptop braucht zu Herstellung in etwa gleich viel Energie, wie er während seiner Lebensdauer verbraucht, bei einem Smartphone ist es deutlich mehr.

Umweltbewusst handelt, wer seine Geräte möglichst lange nutzt. Wer beim Streaming sparen will, schaut die Filme nicht allein, sondern wie früher im Zeitalter des analogen Fernsehens in der Gruppe. Familien brauchen ein Vielfaches an Strom, wenn jedes einzelne Mitglied die ganze Serie herunterlädt und separat schaut. Auch ständiges Zappen verbraucht unnötig Energie.

Am effizientesten wäre digitales Fernsehen aus der Luft, Satellit oder DVB-T.

Letzteres werde leider abgeschaltet, meint Vlad Coroamă.

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