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Narco Queens: Von mächtigen Frauen in Drogenkartellen
Aus News Plus vom 14.02.2022. Bild: SRF
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Frauen in Drogenkartellen «Narco Queen»: Die Emanzipation des organisierten Verbrechens

Das Drogengeschäft ist reine Männersache? Mitnichten: In Lateinamerika steigen auch Frauen an die Spitze der Clans auf.

Schnäuzer, blutunterlaufene Augen, ein Gesichtsausdruck, irgendwo zwischen Morddrohung und Grabesrede: Serien wie «Narcos» kultivieren das testosterongeschwängerte Bild der Drogenbosse aus Lateinamerika. Und die realen Vorbilder wie «El Chapo» oder Pablo Escobar stehen ihnen in nichts nach: Sie selbst haben das Bild des toughen Kartellbosses bewusst gepflegt.

Frauen scheinen in dem Geschäft kaum eine Rolle zu spielen. Doch das ist ein Trugschluss: Denn die «Narco Queens» (dt. «Drogenköniginnen») sind im Aufstieg begriffen. Häufig stehen sie an der Seite eines Drogenbosses – aber nicht nur. Und sie werden immer zahlreicher.

Der Aufstieg der Drogenbaroninnen

Auch die Unterhaltungsindustrie hat sie für sich entdeckt. Berühmte TV-Serien in Lateinamerika rücken die Drogenköniginnen in den Mittelpunkt, so etwa die erfolgreichste Telenovela aller Zeiten in Kolumbien: «Sin tetas no hay paraíso» (dt: «Ohne Brüste gibt es kein Paradies»).

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Trailer der Telenovela «Sin tetas no hay paraíso»
Aus News-Clip vom 15.02.2022.
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«Und das ist kein Titel auf metaphorischer Ebene», sagt SRF-Korrespondent David Karasek. Die Frauen an der Seite rivalisierender Kartellbosse sind durchgestylt und haben zahlreiche Schönheits-OPs hinter sich. Am eigentlichen Geschäft sind sie aber nicht beteiligt.

Das hat sich allerdings geändert – nicht nur in der Fiktion. «Die Emanzipation erreicht auch das organisierte Verbrechen. Laut Expertinnen und Experten übernehmen in Kartellen in Mexiko und Kolumbien Frauen die Kontrolle.» In vielen Fällen wachsen sie allmählich in die Rolle hinein, nachdem ihre Männer und Söhne festgenommen wurden oder bei blutigen Machtkämpfen umkamen.

Berühmt-berüchtigte Narco Queens

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Legende: Emma Coronel Aispuro Reuters

Im November letzten Jahres wurde die Frau des meistgesuchten Kriminellen in Mexiko und den USA gefasst: Rosalinda González Valencia ist mit dem Drogenboss Nemesio Oseguera alias «El Mencho» verheiratet. Sie galt als Finanzchefin des Drogenkartells Jalisco Nueva Generación.

«El Chapo», der frühere Anführer des Sinaloa-Kartells, sitzt seit Jahren in den USA im Gefängnis. Im vergangenen November wurde auch seine Frau Emma Coronel Aispuro in Washington zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Der Vorwurf: Drogenhandel, Geldwäsche und finanzielle Geschäfte mit dem Sinaloa-Kartell.

Sandra Ávila Beltrán erlangte als «Königin des Pazifiks» Berühmtheit. Ihr Vater war eng mit dem Gründer des mexikanischen Guadalajara-Kartells verbandelt. Beltrán sass mehrere Jahre in Haft und wurde 2015 freigelassen. Ihren Spitznamen verdankt sie dem Schmuggel von zwanzig Tonnen Kokain, das auf Fischerbooten in die USA geschleust worden sein soll.

Enedina Arellano Felix gilt für die US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA als erste Drogenbaronin der Welt. Sie übernahm die Führung des mexikanischen Tijuana-Kartells, nachdem ihr Bruder Eduardo 2018 verhaftet wurde. Zuvor war sie für die Geldwäsche zuständig.

Ein prominentes Beispiel ist Kolumbien. Dort haben sich die Regierung und die Farc-Guerilla vor fünf Jahren auf einen Friedensvertrag geeinigt. Seither gilt der Kampf gegen die Drogenkartelle als Regierungsauftrag – Aktionen gegen die Anführer der Clans häufen sich. «Schwestern, Mütter und Töchter müssen dann ihre Jobs übernehmen», so Karasek.

Frauengefängnis in Kolumbien
Legende: Dass Frauen zunehmend im Drogengeschäft mitmischen, zeigt ein Blick in die Gefängnisse Südamerikas: Zwischen 2009 und 2019 stieg die Zahl der Frauen, die im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen verhaftet wurden, um 52 Prozent. Keystone

Eine der bekanntesten Narco Queens ist «La Flaca». Sie ist die Frau von Kolumbiens einst meistgesuchtem Drogenboss, der im letzten Jahr gefasst wurde: Dairo Antonio Úsuga, besser bekannt als Otoniel. In Otoniels Clan waren die Frauen auf höchster Stufe aktiv, so auch Blanca Senobia Madrid Benjumea. «Sie hatte eine strategische Rolle innerhalb der Organisation und war für das Geldwaschen zuständig», so Karasek. Nun sitzt sie in einem Frauengefängnis in der Nähe von Cali.

Otoniel bei seiner Festnahme
Legende: Präsident Iván Duque bezeichnete die Festnahme von Otoniel als grössten Schlag gegen die kolumbianische Drogenmafia seit dem Tod von Pablo Escobar 1993. Keystone

Die Drogenkartelle in Lateinamerika sind berüchtigt. Jährlich sind sie für den Tod abertausender Menschen verantwortlich. 2019 gab es nach offiziellen Angaben allein in Mexiko 35’588 Morde – die meisten davon im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen.

Es gibt jetzt mehr Narco Queens. Was es aber vor allem braucht, sind mehr Politikerinnen, Polizistinnen, Richterinnen oder Anwältinnen.
Autor: David Karasek SRF-Korrespondent für Südamerika

Ihren Anteil daran haben auch die Narco Queens. «Aus Studien weiss man, dass die Frauen nicht weniger brutal sind als die Männer», so der SRF-Korrespondent. Frauen übernehmen auch zunehmend Positionen im mittleren Management der Kartelle: Von der Logistik über die Buchhaltung bis zur Geldwäsche.

Coca-Blätter
Legende: Auch echte «Gleichberechtigung» im Drogengeschäft gibt es: Bei den Koka-Bauern und -Bäuerinnen ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichen. Getty Images

In anderen Gesellschaftsbereichen haben Frauen aber nach wie vor nur bedingt Mitspracherecht. In Kolumbien stehen zwar immer mehr Frauen an der Spitze von Drogen-Clans. Im Parlament in Bogotá sind aber nur 20 Prozent der Abgeordneten Frauen.

«Südamerika gilt immer noch als Biotop der Macho-Kultur», schliesst Karasek. «Es gibt jetzt mehr Narco Queens. Was es aber vor allem braucht, sind mehr Politikerinnen, Polizistinnen, Richterinnen oder Anwältinnen.»

Frauen oft Opfer von Drogenkartellen

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Ein UNO-Bericht über Frauen als Teil der weltweiten Drogenkriminalität kommt zum Schluss, dass Männer nach wie vor dominant sind – doch der Frauenanteil steigt.
Häufig seien Frauen in tiefen Hierarchiestufen Teil von kriminellen Organisationen. Meist hat ihr Leben wenig mit demjenigen der Narco Queens gemeinsam.

Überproportional viele Frauen gibt es demnach bei den Drogenkurieren. In vielen Ländern werden sie mit drakonischen Strafen belegt und landen oft länger hinter Gittern als Strippenzieher von Drogenclans. Zudem sind Frauen besonders oft auch Opfer von Drogenkartellen, die häufig in der Prostitution und im Frauenhandel tätig sind.

 

SRF 4 News, 14.02.2022, 17:15 Uhr;

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