Mit grossen «High-Protein» Buchstaben buhlen Detailhändler wie Coop, Migros oder Aldi um die Aufmerksamkeit der Kundinnen und Kunden. Die entsprechende Produktepalette ist gross und hatin den letzten Jahren stark zugenommen, das bestätigen die Detailhändler wie die Migros: «Das Angebot von Produkten wie Proteinriegel, Protein-Shakes, Quark, Joghurt, Milchdrinks usw. wurde stark ausgebaut. Analog der Sortimentserweiterung steigt auch der Absatz dieser Produkte.»
Ein Preisvergleich mit Produkten ohne Proteinzusatz zeigt, dass Kundinnen und Kunden oft viel mehr bezahlen, wenn «High-Protein» auf der Verpackung steht. So kostet der High-Protein-Energydrink von Emmi 60 Prozent mehr als der normale Energydrink, der High-Protein Mozzarella von Aldi kostet mehr als doppelt so viel im Vergleich zum Mozzarella ohne Proteinzusatz.
Ein paar Beispiele
Auch die High-Protein-Produkte der Migros sind vergleichsweise teuer. Migros schreibt dazu: «Der Preis für Produkte mit erhöhtem Proteingehalt ist auf den höheren Aufwand für Entwicklung und Verarbeitung bei der Herstellung, beispielsweise den Konzentrationsprozess zur Proteinanreicherung, zurückzuführen». Auch Coop begründet den Preisunterschied mit unterschiedlichen Produktionskosten. Aldi schreibt, dass die Produkte mit und ohne Proteinzusatz «nicht vergleichbar sind». Emmi rechtfertigt den höheren Preis für seine High-Protein Energy Drinks mit einem «höheren Verarbeitungsaufwand sowie zusätzlichen Entwicklungs-, Rohstoff- und Verpackungskosten.»
Den grössten Preisunterschied fand «Kassensturz» beim Schokoriegel Snickers: Die High-Protein-Variante kostet bei Lidl 339 Prozent mehr als der Snickers-Riegel ohne Proteinzusatz. Der Lebensmittelkonzern Mars erklärt den Preisunterschied so: «Unterschiedliche Produkte, Rezepturen, Verpackungsformen (z.B. Single- oder Multipacks) und getrennte Produktionsprozesse führen zu unterschiedlichen Produktionskosten.» Auf die Frage, wie hoch denn die Produktionskosten für den Protein-Snickers-Riegel seien, wollte Mars keine Stellung nehmen, da es sich um «wettbewerbsrelevante» Informationen handle.
Für Michael Grund, Leiter des Departements für Marketing & Business Communications der Hochschule für Wirtschaft Zürich HWZ, ist klar: Preisunterschiede zwischen 60 und 339 Prozent lassen sich nicht mit unterschiedlichen Produktionskosten rechtfertigen, «denn es geht im Endeffekt um ein paar Gramm mehr Protein. Hier geht es um Marketing und darum, die Kaufkraft der Kunden abzuschöpfen.»
Michael Grund kann aber nachvollziehen, dass die Detailhändler seit Jahren auf solche Produkte setzen: «Ernährung ist ein Hype, ein Megatrend seit vielen Jahren. Wenn Unternehmen Produkte entwickeln, versuchen sie, diesen Trends zu folgen und solche Produkte auf den Markt zu bringen.»
Bemerkenswert ist, dass Schweizerinnen und Schweizer nicht zu wenig, sondern eher zu viel Protein zu sich nehmen. Dies zeigt die Studie «Proteinkonsum in der Schweiz» des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV von 2021: «Nach der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaft für Ernährung wird eine Proteinaufnahme von 0.8 g pro Kilogramm Körpergewicht und bei Personen über 65 Jahren 1.0 g pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen. Sowohl Frauen (1.10 g Protein) als auch Männer (1.23 g Protein) überschreiten im Durchschnitt die empfohlenen Mengen pro Kilogramm Körpergewicht.»