Noch bergen sie Playmobilfiguren von einem Büchergestell, aber schon bald soll ihre Erfindung unter dem Helikopter hängende Bergretter punktgenau zu verunfallten Bergsteigern in schwierigem Gelände manövrieren. Die bis zu 230 Meter unter dem Helikopter hängenden Retter sollen mit Minidüsen beweglicher und effizienter gemacht werden.
Am langen Seil schwebend punktgenau landen
Die sogenannte Longline-Rettung ist eine bewährte und von der Alpinen Rettung oft trainierte Rettungsmethode in schwierigem Gelände. Ganz ungefährlich sind solche Einsätze aber nicht und nicht selten kann der Pilot wegen einem Überhang den Retter gar nicht am richtigen Ort absetzen. Dann müssen sich die Retter von oben über den Überhang abseilen, was auch immer viel wertvolle Zeit kostet.
Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass ich mich am Helikopter hängend nicht zum Verunfallten habe vorarbeiten können.
«Ich habe es schon mehrfach erlebt, dass ich mich am Helikopter hängend nicht zum Verunfallten habe vorarbeiten können. In so einem Fall träumt man von einem eigenen Antrieb und Schub, um die Vertikale unter dem Helikopter zu verlassen und den Verunfallten quasi aus eigener Kraft zu erreichen», erzählt Theo Maurer, Leiter Einsatz bei der Alpinen Rettung Schweiz.
Jetzt scheint man diesem Traum ein bisschen näher zu kommen: Der Bündner Forscher Andreas Bitzer entwickelt zusammen mit einem Dutzend Studierenden ein System, das Longline-Retter mit Miniturbinen ausrüsten und beweglich machen könnte. Am Helikopter hängende Bergretter sollen sich schon bald auch seitlich bewegen können.
Minidüsen bringen seitlichen Schub
Dazu sollen die Retter mit einem technisch ausgeklügelten, navigierbaren Seilwindenhaken ausgerüstet werden. Im Zentrum stehen dabei kleine Strahltriebwerke, die trotz einem Durchmesser von nur rund 20 Zentimeter eine Schubkraft von bis zu 100 Kilogramm entwickeln.
Der Retter hätte beide Hände frei und ein Stabilisationsprogramm könnte ihn automatisch und permanent in der angestrebten Lage stabilisieren.
Sie ermöglichen es einem Navigator im Helikopter, den am Seil hängenden Retter 30 bis 50 Meter aus der Vertikalen auszulenken und genau zu einem sonst kaum erreichbaren Zielort zu navigieren. «Der Retter hätte beide Hände frei und ein Stabilisationsprogramm könnte ihn automatisch und permanent in der angestrebten Lage stabilisieren.», fasst Andreas Bitzer das System zusammen.
Schematische Skizze eines Assistenzsystems mit Turbinenantrieb
«Zeit ist für Patienten das Mass aller Dinge»
Die Idee ist auch bei der Alpinen Rettung Schweiz auf Interesse gestossen. «Auch wenn es nur ein Puzzleteil im ganzen Rettungswesen darstellt, so könnte ein solches Rettungs-Assistenz-System in verschiedenen Situationen Zeit und Aufwand sparen, und Zeit ist bei Bergrettungen ein entscheidender Faktor», sagt Theo Maurer. «Je schneller ein Patient ins Spital kommt, desto grösser sind seine Chancen».
Ein solches Rettungs-Assistenz-System könnte in verschiedenen Situationen Zeit und Aufwand sparen.
In Chur arbeiten derweil die Forscher mit Hochdruck am Prototyp des ersten navigierbaren Seilwindenhakens. Noch wird laut Andreas Bitzer mit Playmobilfiguren gearbeitet. Schon gegen Ende Jahr soll dann zum ersten Mal ein 100 Kilo schwerer Zementsack als «Dummy» mit Düsenantrieb an einen Einsatzort manövriert werden.
«Wir sammeln Erfahrungen auf völlig neuem Terrain», erklärt der Forscher. Bleibt das Projekt erfolgreich, müssten für die Weiterentwicklung Partner aus der Industrie gefunden werden. Das sei schwierig, aber immerhin könnte das neue System aus Chur auch bei der Löschung von Waldbränden mit dem Helikopter grosse Dienste leisten, sagt Andreas Bitzer.