«Wenn Sie heute durch die Alpen wandern und nicht ständig das Handy vor der Nase haben und twittern, dann ist der Klimawandel offenkundig und sichtbar» – diese Breitseite feuerte der Walliser Ständerat Beat Rieder in der vergangenen Sommersession Richtung Donald Trump ab. Seine Ratskollegen taten es ihm gleich (Video unten).
Rieder dürfte damit auf die dramatische Gletscherschmelze, tauende Permafrostböden oder Skigebiete angespielt haben, in die sich kaum eine Schneeflocke mehr verirrt.
Dem Alpenschneehuhn ist’s zu warm
Eine etwas andere Folge des Klimawandels vollzieht sich im Vogelreich – und gewöhnlichen Wanderern bleibt sie verborgen: Schweizer Schneehühner ziehen sich in die Hochalpen zurück.
Im Schnitt haben sich die «Fasanenartigen» in den letzten 20 Jahren um 120 Meter in die Höhe verschoben. «Das ist eine beträchtliche Veränderung», sagt Heinrich Haller, Direktor des Schweizerischen Nationalparks im Engadin. Der Grund für die Wanderbewegung ist für den Biologen schnell ausgemacht:
Die Temperaturen sind gestiegen. Alpenschneehühner sind extrem gut an kalte Bedingungen angepasst und wenn es ihnen zu warm wird, ist es ihnen nicht mehr wohl.
Doch wo ist das Problem, wenn sich Alpenschneehühner etwas weiter oben ansiedeln? «Nicht alle Teile der Alpen verfügen über genügend hohe Berge», antwortet Haller. Das bedeutet, dass die Schneehühner irgendwann auch die höchste Bergkuppe erreichen, und nicht mehr weiter nach oben ausweichen können.
Die Evolution kann den Schneehühnern wohl nicht helfen. Denn deren Mühlen mahlen langsamer als die des Klimawandels, sagt Haller: «Die Erwärmung vollzieht sich extrem schnell. Vor gut 150 Jahren hatten wir das postglaziale Maximum («nacheiszeitliche», Anm. der Red.). Jetzt haben wir mit die höchsten Temperaturen, die je gemessen wurden – ob sich die Evolution daran anpassen kann, bleibt abzuwarten.»
Für Haller ist denn auch unbestritten, dass die Klimaerwärmung stattfindet. Dies belegten die Langzeit-Messungen der Wetterstationen: Die drastischen Temperaturanstiege könnten nicht einfach aufs Wetter abgeschoben werden, sondern seien klimabedingte Veränderungen. Und auch in der alpinen Fauna hinterlässt der Klimawandel bereits seine Spuren – nicht nur beim Schneehuhn.
Die Walliser Population bleibt gelassen
Denn in gleicher Weise zieht sich ein weisser Säuger in höhere Regionen zurück, damit seine Tarnung weiter funktioniert: Der Schneehase. «Auch er ist weiter nach oben gestiegen, dasselbe gilt etwa ebenfalls für viele Insekten, Schnecken und Schmetterlinge», sagt Haller. Schliesslich gebe es weitere grosse Veränderungen bei der Gipfel-Flora: Manche Arten kommen, andere verschwinden, so der Biologe: «Selbst die Waldgrenze verändert sich deutlich, die Bäume steigen höher.»
Immerhin ist die Prognose für das Alpenschneehuhn nicht nur schlecht: «Ich denke, die Art wird längerfristig bestehen können. Allerdings nur in den inneren, hochgelegenen Alpen. In den Voralpen sieht es schlecht aus.» Das Alpenschneehuhn, ein Relikt der letzten Eiszeit, dürfte uns also noch erhalten bleiben – zumindest im Wallis, Bündner- oder Berner Oberland.