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Klinik Bethanien vergrault Concordia-Versicherte
Aus Espresso vom 17.05.2021. Bild: Keystone
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Spital-Zusatzversicherung Klinik Bethanien vergrault Concordia-Versicherte

Die Zürcher Privatklinik steigt aus einem laufenden Tarifvertrag aus, und das Nachsehen haben Patienten und Patientinnen.

Bei einer Routineuntersuchung erfährt eine junge Frau, dass sie eine dringende Operation braucht. Sie hat eine Spital-Zusatzversicherung bei der Krankenversicherung Concordia, was freie Arzt- und Spitalwahl bedeutet. Ihr Arzt schlägt für die Operation die Klinik Bethanien in Zürich vor. Als er sieht, dass sie bei der Concordia versichert ist, macht er einen Rückzieher: Leider bezahle diese Versicherung die Leistungen in der Klinik Bethanien zurzeit nicht.

Zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» sagt die Patientin: «Ich bin wütend! Die Krankenversicherung hat mich nicht informiert. Für mich ist das eine klare Leistungsminderung.» Schliesslich bezahlt sie seit zehn Jahren jeden Monat eine hohe Prämie für die Zusatzversicherung. Sie ist nicht die einzige Betroffene: «Espresso» kennt einen identischen Fall.

Concordia wehrt sich: «Nicht wir haben den Vertrag gekündigt»

Darauf angesprochen, wehrt sich die Krankenversicherung Concordia. Kommunikationschefin Astrid Brändlin präzisiert: «Es war die Klinik Bethanien, welche den Tarifvertrag mit uns per 31. Dezember 2020 gekündigt hat, nicht umgekehrt.» Zu den Gründen vermutet Astrid Brändlin: «Weil die Klinik Bethanien höhere Tarife wollte, als wir abgemacht hatten. Obwohl die durchschnittlichen Fallkosten für zusatzversicherte Patientinnen und Patienten in der Klinik Bethanien bereits viel höher sind als in anderen Spitälern.»

Bethanien: «Unsere Tarife fallen nicht höher aus»

Die Klinik Bethanien widerspricht. Die Medienverantwortliche schreibt: Nein, man habe nicht höhere Tarife verlangt: «Unsere Tarife sind mit den Privattarifen von anderen Einrichtungen absolut vergleichbar und fallen nicht höher aus.»

Die Kündigung habe einen anderen Grund. «Den mehrjährigen Vertrag mit Concordia haben wir gekündigt, da seitens Versicherer für 2021 vorgesehen war, Abrechnungen inklusive Belegarzthonorare abzugelten.» Spital- und Arztleistungen dürften nur noch in einer Rechnung aufgelistet werden. Diesem Anspruch habe die Privatklinik Bethanien nicht gerecht werden können.

Abrechnungsart war längst vereinbart

Die Klinik verweist also auf die Abrechnungsart, welche auf das Jahr 2021 ändern sollte. Nun wird bei der Krankenversicherung Concordia der Ton schärfer. Astrid Brändlin erklärt, dass der Fall sonnenklar sei. Der Vertrag sei seit 2019 in Kraft gewesen mit jährlich festgelegten Bedingungen: «Aufs Jahr 2020 hat man nur geringfügige Tarifanpassungen vorgenommen. Aufs Jahr 2021 aber wären die Tarife bedeutend reduziert worden.» Durch die Kündigung umgehe die Klinik diese Tarifsenkung.

Aufs Jahr 2020 hat man nur geringfügige Tarifanpassungen vorgenommen. Aufs Jahr 2021 aber wären die Tarife bedeutend reduziert worden.
Autor: Astrid Brändlin Kommunikationschefin Concordia

Die Abrechnungsart, dass Spitalleistungen und Arzthonorare in einer Rechnung gestellt und damit Transparenz geschaffen werde über die verschiedenen Leistungen, sei seit Beginn des Vertrags 2019 in Kraft. Und Concordia liefert «Espresso» den Beleg: Wir konnten den geschwärzten Tarifvertrag einsehen und im entsprechenden Artikel für Arztleistungen ab 1.1.2019-31.12.2019 heisst es: «Die Abrechnung von Arztleistungen erfolgt auf derselben Rechnung wie die Klinikleistungen.» Dies entspricht auch einer Aufforderung der Finanzmarktaufsicht (Finma), welche die Versicherer dazu verpflichtet, von den Kliniken transparente Abrechnungen zu fordern.

Und so stellt sich die Frage erneut, ob es eben doch die tieferen Tarife waren, welche die Klinik Bethanien den Vertrag kündigen liessen.

Gesundheitsökonom Willy Oggier zum Fall Concordia/Bethanien:

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«Espresso»: Ist ein solcher Tarifvertrag üblich oder unüblich, wie ihn die Klinik Bethanien und Concordia aufgesetzt hatten?

Willy Oggier: «Wenn Versicherer und Spitäler miteinander versuchen, Tarifsenkungen zu vereinbaren, sind Versicherer oft grosszügig mit dem Anpassungszeitraum, damit Spitäler die Möglichkeit haben, Prozesse anzupassen und Kosten zu senken, um mit den neuen, tieferen Tarifen auszukommen.»

Haben Zusatz-Versicherte überhaupt Möglichkeiten, Tarife der Kliniken zu vergleichen?

«Das ist extrem schwierig. Wir sind in einer Wettbewerbssituation und es gilt Privatrecht. Kaum ein Versicherer und kaum ein Spital werden bereit sein, die Tarife offenzulegen. Geschweige denn allenfalls weitergehende Qualitätsdaten offenzulegen. Zum Beispiel, wie schaut es mit der Häufigkeit von Operationen bei Privatversicherten aus, oder wie schaut es aus mit Komplikationen nach Operationen bei Privatversicherten. Da sind wir in einer eigentlichen Blackbox, wo es für die Konsumentinnen und Konsumenten fast unmöglich wird, zu vergleichen.»

Die Klinik Bethanien steht nicht auf der Spitalliste des Kantons Zürich. Dadurch entgeht ihr auch der Beitrag des Kantons.

«Ein Spital ist in der Regel selbst schuld, wenn es nicht auf der Spitalliste steht. Entweder, weil es aus freien Stücken entschieden hat, sich diesem Prozess nicht zu unterwerfen. Oder weil das Spital vom Kanton im Vergleich zu Mitbewerbern als weniger wirtschaftlich oder qualitativ weniger gut eingeschätzt wird. Daraus aber abzuleiten, dass man Zusatzversicherte mehr schröpfen kann, indem man einen höheren Tarif zur Kompensation haben muss, ist gesundheitsökonomisch fragwürdig.»

Espresso, 17.05.2021, 08:13 Uhr

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