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Immun oder nicht – Was bleibt nach einer Corona-Infektion?
Aus Puls vom 30.11.2020.
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Suche nach Antikörpern Immun oder nicht: Was bleibt nach einer Corona-Infektion?

Sind Angesteckte vor Folgeinfektionen geschützt? Forschungsergebnisse machen Mut, werfen aber auch Fragen auf – speziell in der Schweiz.

Bea Lehmann ist seit 20 Jahren Mitglied einer Clown-Truppe, ihr grosses Hobby das Erheitern anderer Menschen. Doch nach dem letzten Clownkurs ist ihr das Lachen erst einmal vergangen: Am Workshop hatte sie sich mit dem Coronavirus angesteckt.

Die Erkenntnis brachte der Corona-Test, den sie nur machte, weil sie am Kurs Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatte. Symptome hatte sie keine und war vom Ergebnis denn auch entsprechend überrascht: «Dass ich positiv bin, hätte ich nicht erwartet!»

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Bea Lehmann hätte niemals erwartet, dass der Corona-Test bei ihr anschlägt
Aus Puls vom 30.11.2020.
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Auch nach dem Ende ihrer Quarantäne nimmt es die 69-Jährige mit den empfohlenen Hygienevorschriften sehr genau. Denn Bea Lehmann ist verunsichert. Sie stellt sich die Fragen, die jede und jeden nach einem positiven Corona-Test oder einer durchgemachten Covid-Erkrankung umtreiben: «Sind im Blut jetzt Antikörper, die mich vor Corona schützen? Und wie lange wirkt der Schutz?»

Was man inzwischen weiss: Die Immunabwehr zeigt sich unterschiedlich. Patientinnen und Patienten, die eine schwere Corona-Infektion durchmachen, reagieren vermutlich mit einer stärkeren Immunantwort, als solche, die nur einen leichten Infekt oder gar keine Symptome hatten.

Doch es gibt ermutigende Neuigkeiten aus den USA: Covid-19-Erkrankte mit leichten oder mittleren Symptomen können hoffen. Dies zeigen Resultate einer viel beachteten Immunitäts-Studie der Mount Sinai School Of Medicine in New York.

Federführend ist ein international bekannter Virologe. Der Österreicher Florian Krammer hat mit seinem Team 30'000 positiv Getestete in New York auf die Konzentration von Antikörpern gegen Sars-CoV-2 untersucht.

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Florian Krammer zur beobachteten Immunantwort auf das Coronavirus
Aus Puls vom 30.11.2020.
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«Wir haben festgestellt, dass die Immunantwort auf das Virus normal ist. Das bedeutet: ähnlich wie bei anderen Viren, mit denen wir uns infizieren.» Daraus folgert der Professor für Mikrobiologie, «dass wir vermutlich zu einem grossen Teil vor einer erneuten Infektion geschützt sind – zumindest vor einer mit Symptomen.»

Die grosse Mehrheit der im Rahmen der US-Studie Getesteten mit leichten bis mittleren Symptomen zeigt eine robuste, also sehr gute Immunantwort. Und die Antikörperwerte blieben während fünf Monaten stabil. Schützt diese gute Immunantwort automatisch vor einer neuen Infektion?

Florian Krammer relativiert: «Es wäre fahrlässig zu sagen, dass jeder, der infiziert war, sich nicht mehr infizieren kann. Ich glaube nicht, dass das der Fall ist.» Es gelte nun herauszufinden, wie gut der Schutz durch eine Erstinfektion tatsächlich ist.

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«Es wäre fahrlässig zu sagen, jeder der infiziert war, kann sich nicht mehr infizieren.»
Aus Puls vom 30.11.2020.
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Trotz dieser ermutigenden Resultate geht man heute schon davon aus, dass das neue Sars-Virus kaum mehr ganz verschwindet. Prognosen gehen davon aus, dass dieses Virus immer wieder saisonal auftaucht wie die Grippe – auch in der Schweiz. Dementsprechend wird auch hierzulande geforscht.

Das nationale Forschungsprogramm Corona Immunitas hat schweizweit bereits 30'000 Personen auf Antikörper getestet. Neuerdings erfolgt dies in speziell umgebauten Bussen, mit denen man sich zu den Testpersonen begibt. «Die Studienteilnehmer müssen so nicht mehr zu uns kommen», erklärt Epidemiologe Milo Puhan von der Universität Zürich, der Corona Immunitas mitinitiiert hat.

Corona Immunitas

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Legende: zVg

Corona Immunitas ist ein wissenschaftliches Programm, das die Ausbreitung und Auswirkung von Covid-19 in der Schweiz erforscht.

Hinter dem Programm steht die Swiss School of Public Health (SSPH+). Als inter-universitäre Fakultät vereint sie zwölf Schweizer Universitäten und Fachhochschulen. Elf Hochschulen und Gesundheitsorganisationen setzen das Programm Corona Immunitas auf nationaler Ebene koordiniert um. Darüber hinaus erforschen einzelne SSPH+ Mitglieder spezifische und ergänzende Fragen.

Als Forschungsnetzwerk koordiniert und bündelt SSPH+ 40 Studien in der Schweiz, die untersuchen, wie viele Personen sich mit dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert haben und inwiefern eine durchgemachte Erkrankung vor einer erneuten Ansteckung schützt.

Mit einem Langzeit-Monitoring der Antikörper-Entwicklung ermitteln die Studien die Ausbreitung des Coronavirus in der Schweiz. Untersucht wird, ob nach einer Infektion ein Schutz vor einer erneuten Ansteckung besteht und falls ja, wie lange dieser anhält. Darüber hinaus tragen die Studien zur Planung von Impfprogrammen und zu einer besseren Vorbereitung auf künftige Virus-Wellen und -Ausbrüche bei.

Mehr Informationen: www.corona-immunitas.ch

Erste Ergebnisse der Schweizer Studie zeigen Erstaunliches: Rund zwanzig Prozent der 307 Teilnehmer im Kanton Zürich haben trotz Corona-Infektion nach einem Monat keine Antikörper gebildet.

Was das bedeutet, ist laut Milo Puhan noch ungewiss. «Sie haben nicht die Abwehr im Blut, die man gerne sehen würde. Das heisst aber nicht, dass man keine Immunität entwickelt hat. Da spielen auch noch andere Aspekte mit.»

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Neue Forschungsergebnisse zur Corona-Immunität
Aus Schweiz aktuell vom 30.11.2020.
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Braucht man sich mit Antikörpern im Blut nicht mehr speziell zu schützen? «Für so eine Aussage ist es noch zu früh», winkt Puhan ab. «Wir empfehlen auch in diesem Fall weiterhin, sich an die Richtlinien des Bundes zu halten.»

Auch bei Bea Lehmann wurden im Immunitäts-Test keine Antikörper gefunden. Trotzdem stehen ihre Chancen nicht schlecht, nun zumindest einen gewissen Schutz zu haben.

«Gedächtniszellen sind jahrelang aktiv»

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Daniela Lager sprach im «Puls»-Studio mit Christian Münz, Professor für virale Immunbiologie an der Universität Zürich und Mitglied der Taskforce des Bundesrats.

SRF: Erste Auswertungen der Zürcher Immunitasstudie zeigen, dass rund 20 Prozent keine Antikörper haben, obwohl sie Covid hatten. Überrascht Sie das?

Christian Münz: Eigentlich nicht so sehr. Denn unser erworbenes Immunsystem kann neben Antikörpern gegen Sars-Cov-2, die wir hier messen, auch mit T-Zellen auf die Infektion reagieren. Diese T-Zellen können virusinfizierte Zellen direkt zerstören und danach direkt ins immunologische Gedächtnis überführt werden. Sie können Gedächtniszellen bilden, die auch länger leben.

Wir haben also nicht nur Antikörper, sondern auch Zellen, die den «Bauplan» für Antikörper in sich tragen. Was bietet den besseren Schutz?

Die Antikörper, die wir in Blut messen, können den Virus direkt ausserhalb der Zellen abfangen. Sie würden es also ermöglichen, eine Reinfektion ganz zu verhindern. Die Gedächtniszellen hingegen werden bei einer Reinfektion erst wieder aktiviert und können dann eine stärkere Immunantwort ausbilden, die das Virus relativ schnell wieder unter Kontrolle bringt. Aber es würde bedeuten, dass man noch leichte Symptome haben könnte und das Virus vielleicht in geringem Masse noch weitergeben könnte.

Das Virus kann ich also weitergeben, obwohl ich Antikörper habe? Oder wenn ich nur Gedächtniszellen habe?

Wenn die Antikörper auf relativ hohem Level gehalten werden, ist es tatsächlich so, dass die Virusinfektion ganz unterbunden werden könnte – besonders wenn es Antikörper sind, die über Schleimhäute abgegeben werden, durch die das Virus eindringen muss. Die Gedächtniszellen ermöglichen es, diese Reinfektion schneller unter Kontrolle zu bringen, schaffen es aber wahrscheinlich nicht, das Virus ganz aus dem Körper fernzuhalten.

Von was für einer Schutzdauer kann man ausgehen?

Antikörperantworten waren schon fünf, sechs Monate lang in neutralisierender Aktivität gegen das Virus nachweisbar. Die Gedächtniszellen hingegen leben durchaus jahrelang und sind von daher wahrscheinlich die längerlebige Schutzfunktion des Immunsystems.

Den Bauplan für die Abwehr tragen wir also jahrelang in uns? Das ist ein weitaus besserer Schutz, als man anfänglich befürchtet hat.

Allerdings. Zu Beginn konnte man relativ leicht die Antikörper testen und sah, wie diese dann nach einer gewissen Zeit nachlassen. Zudem ist es etwas schwieriger, die Gedächtniszellen nachzuweisen und zu messen. Deswegen wurden zunächst pessimistischere Prognosen publiziert, dass der Schutz unter Umständen nur kurzzeitig anhalte. Von anderen Coronaviren – Erkältungsviren aus derselben Gruppe – ist eine ähnliche abnehmende Antikörperkonzentration auch bekannt, und es ist trotzdem ein langfristiger Schutz vorhanden.

Was darf man daraus ableiten auf die mögliche Wirkungsdauer einer Impfung?

Impfungen sind so gestaltet, dass sie beide Funktionen des Immunsystems aktivieren: die direkte Antikörperproduktion und die Bildung von Gedächtniszellen. Unter Umständen könnten die Antikörper dann auch wieder nach einer gewissen Zeit abnehmen, aber die Gedächtniszellen werden erhalten bleiben.

Puls, 30.11.202, 21:05 Uhr

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