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Umweltlärm Verkehr: Welcher Lärm stört am meisten?

Die Lautstärke alleine ist nicht entscheidend für die Belastung. Wissenschaftler der EMPA untersuchen, was uns stört.

«Das Lärmproblem kann man heute nicht mehr mit Dezibel beschreiben. Wir müssen deshalb näher an den Menschen ran», sagt Kurt Heutschi, der sich bei der EMPA wissenschaftlich mit Akustik beschäftigt.

Befragung im Mini-Kino

Um herauszufinden, welche Geräusche uns besonders nerven, spielen die Wissenschaftler in einem speziellen Labor einzelnen Testpersonen Lärm vor, zum Beispiel verschiedene Varianten vorbeifahrender Züge. Die Probanden bewerten dann, wie stark sie der Lärm belastet.

Das Labor sieht aus wie ein Mini-Kino: Ein einzelner Stuhl in einem stockdunklen, kleinen Raum, vorne eine Leinwand, rund um den Sitzplatz sind 17 Lautsprecher angebracht. Diese Lautsprecherwolke erzeugt den Lärm, während man auf der Leinwand den Zug vorbeifahren sieht.

Die Verkehrsmittel aus dem Synthesizer

Was die Probanden zu hören bekommen, ist kein richtiger Zug. Der Lärm aus den Lautsprechern stammt aus einem Computer. Das hat den grossen Vorteil, dass die Wissenschaftler die Probanden mit unterschiedlichen Szenarien konfrontieren können.

Dafür haben sie eine Synthesizer-Software entwickelt, die den Lärm von Verkehrsmitteln bis ins letzte Detail nachbilden kann: Bei einem Zug ist es das Holpern eines defekten Rades, das Quietschen der Bremsen bis hin zum Rauschen der Lüftung.

100 verschiedene Geräusche erzeugt der Computer und berechnet daraus den Lärm des Zuges. In einem nächsten Schritt berücksichtigt die Software dann die Beschaffenheit der Umgebung. Sie kann nicht nur berechnen, wie stark Schallschutzmassnahmen die Lautstärke eines Verkehrsmittels dämpfen, sie kann auch in Abhängigkeit des Materials den Klang verändern. Weil für die Beurteilung die Verminderung der Lautstärke alleine nicht ausreicht, ist die präzise Imitation der Schallschutzmassnahmen wichtig.

Wenn es nicht die Lautstärke ist – was genau stört uns denn am Lärm?

Lärmt nervt oder beruhigt

Obwohl die Studie der EMPA-Wissenschaftler noch am Anfang stehe, gebe es erste Hinweise, was als störend empfunden werde, sagt Kurt Heutschi: «Tonale Sachen, etwas, das man pfeifen kann.» Aus welchen Frequenzen diese Töne bestehen, spiele dabei keine Rolle. Als typisches Beispiel für nervenden Lärm nennt der Wissenschaftler den Krach einer Kreissäge.

Am anderen Ende der Skala findet man Rauschen – ein Geräusch ganz ohne klare Töne. «Ein Bachrauschen empfinden viele als angenehm, auch wenn es recht laut ist», so der Akustiker. Bei der Beurteilung spiele eine Rolle, dass viele das Geräusch mit der Natur in Verbindung bringen und dieses Bild positiv besetzt sei.

Nicht nur die Ohren hören mit

Bei der Beurteilung eines Geräusches kann also der Kontext entscheidend sein. Ob der Lärm von einem Bohrer auf einer Baustelle oder aus einer Zahnarztpraxis stammt, macht einen grossen Unterschied. Diesen Umstand berücksichtigen die Wissenschaftler in ihrer Studie und machen den Zug nicht nur hörbar, sie zeigen ihn auch auf der Leinwand.

Auch bei der Bewertung von Verkehrslärm sind nicht nur die Ohren im Spiel. Am meisten stören sich die Leute am Fluglärm – und das nicht nur wegen des lauten Kraches: «Die Angst, dass Flugzeug könnte einem auf den Kopf fallen, schwingt mit. Das lässt sich nicht vermeiden», sagt Kurt Heutschi. Am wenigsten stört der Lärm einer Strasse. Aus einer gewissen Distanz ähnelt der Autolärm einem konstanten Rauschen.

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