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Panorama Vor zwei Jahren waren diese Bäume noch grün

In Kalifornien herrscht seit fünf Jahren Dürre. Darunter leiden die Wälder inzwischen stark. Millionen von Bäumen sind im Sierra-Nevada-Gebirge bereits abgestorben. Dies bedroht den Wasserhaushalt und die Klimapolitik Kaliforniens.

Trockene Tannennadeln und Blätter knistern unter den Schritten von Nathan Stephenson. Vor einer kleinen Fichte bleibt er stehen. Sie ist dürr und braun: «Wenn ein Baum stirbt, führen wir eine Autopsie durch», erklärt der Biologe.

Stephenson klopft auf eine Stelle, an der er die Rinde weggeschnitten hat. Dort ist ein gitterartiges Muster sichtbar. «Hier hat ein Borkenkäfer einen waagrechten Weg durch das Holz gefressen.» In regelmässigen Abständen habe das Insekt Eier gelegt, der Nachwuchs habe sodann senkrechte Bahnen in den Baum gebohrt.

Dürre hilft dem Borkenkäfer

«Die Käfer haben diesen Baum getötet», stellt der Mitarbeiter des US Geological Survey fest. Nur weil Dürre herrsche, hätten sie das tun können. Wegen der Trockenheit fehle dem Baum der Saft, mit dem er die Borkenkäfer abstossen könnte. Zudem waren die letzten Jahre in Kalifornien – wie vielerorts auf der Erde – aussergewöhnlich heiss.

Da die Pflanzen deswegen mehr Wasser brauchen, sind sie zusätzlich geschwächt. Wegen der Wärme gehen die Borkenkäfer ausserdem weniger lang in den Winterschlaf und befallen so weit mehr Bäume. «Etwa ein Drittel der Bäume hier ist tot. Das ist ausserordentlich», stellt Stephenson fest.

Millionen Bäume sterben ab

Der Wald im Sequoia National Park bietet Einblick in ein Phänomen riesigen Ausmasses: Millionen von Bäumen sind in den tieferen Lagen des Sierra-Nevada-Gebirges schon verdorrt. Das Baumsterben erstreckt sich vom Süden Kaliforniens in Richtung Norden durch den Yosemite-Nationalpark hinauf bis an die Grenze zu Oregon.

Ein paar hundert Kilometer weiter westlich sitzt Greg Asner in seinem Büro an der Universität Stanford und schaut auf seinen Laptop. Der Ökologe hat den Überblick: Er ist in einem Flugzeug mit speziellen Messgeräten über eine Waldfläche geflogen, die mehr als dreimal so gross ist wie die Schweiz.

Wenn die Regulierungsfunktion des Waldes verloren geht, ist nicht sicher, ob das Wasserversorgungssystem Kaliforniens noch funktioniert.
Autor: Greg Asner Ökologe an der Uni Stanford

Wenn man über den Wald fliege, sehe man nur grün. Doch mit den technischen Systemen an Bord des Flugzeugs werde die chemische Zusammensetzung der Bäume dreidimensional gemessen.

Der Wald stellt sich auf den Aufnahmen dann farbig dar: Die Bäume erscheinen in Blau, Gelb oder Rot – je nachdem, wie stark sie unter der Dürre leiden. Was Asner festgestellt hat, ist dramatisch: In weiten Gebieten des Sierra-Nevada-Gebirges sind bereits 60 bis 90 Prozent der Bäume abgestorben.

Wälder brennen, Wasser fehlt

Die Folgen sind gravierend: Kurzfristig herrscht eine stark erhöhte Waldbrandgefahr. Deshalb arbeitet die kalifornische Feuerwehr Tag und Nacht, um tote Bäume wegzuräumen. Langfristig sind die Auswirkungen des Baumsterbens noch kaum absehbar. Sicher ist, dass die Folgen für den Wasserhaushalt immens sein werden: «Praktisch alles Wasser in Kalifornien kommt aus der Sierra Nevada. Wenn die Bäume absterben, verändert sich die Hydrologie des Gebirges», sagt Asner.

Audio
Kalifornien: Im Wald der toten Bäume
aus Echo der Zeit vom 19.10.2016. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 43 Sekunden.

Der Wald sei wie ein Schwamm, der Wasser aufsauge und später langsam in die Flüsse und Stauseen abgebe. «Wenn diese Regulierungsfunktion verloren geht, ist nicht sicher, ob das Wasserversorgungssystem Kaliforniens noch funktionieren kann.» Es ist dies eine entscheidende Frage für das sowieso schon trockene Kalifornien, dessen Städte und Landwirtschaft durch ein kompliziertes Geflecht von Stauseen und Wasserkanälen versorgt werden.

Das Waldsterben könnte auch die Klimapolitik im «Golden State» gefährden, so der Ökologe der Uni Stanford weiter. Kalifornien verfolge eine im US-Vergleich vorbildliche Klimapolitik: «Doch die toten Bäume zerfallen nun und geben Kohlendioxid an die Atmosphäre ab» Er sei derzeit daran auszurechnen, wie viel das sei. «Es wird eine enorme Menge sein.»

Ein nie dagewesenes Phänomen

Zurück im Sequoia-Nationalpark steht der Biologe Stephenson auf einem Felsen und schaut hinunter ins Tal. Der Wald zu seinen Füssen sieht aus wie ein grün-braun-gelber Flickenteppich. «Noch nie habe ich in den vergangenen 37 Jahren so viele tote Bäume gesehen», sagt der Biologe. Auch in der kalifornischen Geschichtschreibung sei ein solcher Zustand noch nie dokumentiert worden.

Stephenson seufzt. Schon seit langem habe er sich damit abgefunden, dass sich die Landschaft, die er so liebe, mit dem Klimawandel verändere. Doch: «Vor zwei Jahren waren all diese Bäume noch grün.» Es schockiere ihn, dass es so schnell gehen kann. «Man könnte denken, dass sich die Landschaft allmählich verwandelt, wenn die Temperaturen langsam steigen. Doch das hier ist eine Warnung, dass sie sich sehr rasch verändern kann.»

Der Anblick ist beunruhigend. Der sterbende Wald im Sierra-Nevada-Gebirge könnte ein Vorbote dessen sein, was in Zukunft auch andernorts droht.

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