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Wegpauschalen Wenn die Hebamme von nebenan 60 Franken Wegspesen will

Die SRF-Rechtsexpertin erklärt, was bei Wegspesen von Handwerkern oder Hebammen erlaubt ist.

Beim SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» melden sich immer wieder Betroffene, die mit Fahrkosten von Handwerkern oder Hebammen nicht einverstanden sind. 

Hebamme «von nebenan» verrechnet 60 Franken für die Anfahrt

In einem Fall verrechneten Hebammen der Krankenkasse einer frischgebackenen Mutter bis zu 15 Kilometer Anfahrtsspesen von ihrem Wohnort aus, obwohl die Praxis nur wenige Meter neben der betreuten Familie lag und die Hebammen nicht von Zuhause anreisten. 

Handwerker reist von 60 Kilometer weiter an

In einem zweiten Fall vergab eine Firma den Reparaturauftrag für eine Lüftung ungefragt an eine 60 Kilometer weiter entfernte Drittfirma. Der Handwerker verrechnete für die Anfahrt sowohl die Kilometer wie auch die Zeit. Zudem schlug die beauftragte Firma auf die Rechnung der Drittfirma noch 600 Franken, also 30 Prozent, Marge drauf.

SRF-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner erklärt im Interview, was erlaubt ist und was nicht:

«Espresso»: Ist es zulässig, wenn Handwerker für die Anfahrt Zeit Kilometer verrechnen?

Gabriela Baumgartner: Ja. Im Obligationenrecht steht zwar nichts von Wegkosten. Aber in den Bestimmungen zum Werkvertrag heisst es sinngemäss, dass Handwerker ihren ganzen Aufwand verrechnen dürfen. Dazu gehören sowohl die Zeit für die Anfahrt wie auch die Kilometerkosten.

Darf man mir die Anfahrt von irgendwo her verrechnen? Also von Lugano oder Genf aus, auch wenn der Betrieb in Luzern ist?

Nein. Im Fall der Lüftungs-Reparatur hat die beauftragte Firma den Auftrag ungefragt an eine weiter entfernte Drittfirma vergeben. Dafür müsste sie aber den Kunden informieren und sein Einverständnis einholen. Ich würde dem Betroffenen raten, nochmals bei der Firma zu reklamieren.

Die Krankenkassen haben mit den Hebammenpraxen eine Vereinbarung.
Autor: Gabriela Baumgartner «Espresso»-Rechtsexpertin

  Eine Marge von 30 Prozent auf die Leistung eines anderen Handwerkers, auch das geht nicht?

Dafür sehe ich keine Rechtfertigung. Wenn die beauftragte Firma selbst Material eingekauft hätte, dann müsste sie beispielsweise einen Händlerrabatt nicht weitergeben oder könnte eine kleine Marge draufschlagen. In diesem Fall konnte die Firma den Auftrag aber gar nicht selbst ausführen. Ein solcher Aufschlag ist nicht gerechtfertigt.

Im Fall der Hebammen lag die Praxis ein paar Meter neben der betreuten Familie, trotzdem verrechneten diese den Anfahrtsweg von Zuhause aus. Zulässig?

Ja. Die Krankenkassen haben mit den Hebammenpraxen eine Vereinbarung über die Wegkosten. Die Hebamme darf jedes Mal den Weg zu den Klienten abrechnen, auch wenn sie von anderswo kommt. Alles andere wäre zu kompliziert, begründete der Hebammenverband.

Heutzutage sollten Firmen Honorar und Wegspesen transparent auf ihrer Webseite aufführen.
Autor: Gabriela Baumgarten «Espresso»-Rechtsexpertin

In beiden Fällen gab es weder eine Offerte noch wurde über die Kosten für die Anfahrt gesprochen. Ein Fehler?

Ja, man hätte den Kunden im Voraus mitteilen müssen, welche Kosten auf sie zukommen, auch die Wegspesen. Heutzutage sollten Firmen sowieso Honorar und Wegspesen transparent auf ihrer Webseite aufführen und den Kunden den Link dazu im Voraus zustellen.

Zum Schluss: Die wichtigsten Tipps im Zusammenhang mit Wegspesen?

Gerade wenn ein Auftrag per Telefon oder per E-Mail vergeben wird: Unbedingt nachfragen wie hoch der Stundenansatz ist und was für den Weg dazukommt. Wenn ein Handwerker für den Weg eine Pauschale von 100 Franken verrechnet, obwohl sein Geschäft in der Nähe ist, kann ich den Betrag mit ihm verhandeln oder verlangen, dass er vorbeikommt, wenn er sowieso in der Nähe ist. Dann ist so eine Pauschale nicht mehr gerechtfertigt. Wichtig ist auch, sich solche Abmachungen immer per E-Mail bestätigen lassen, damit man im Streitfall einen Beweis hat.

 

Espresso, 28.07.21, 08:13 Uhr

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