Zum Inhalt springen

Header

Audio
Wegwerf-Gesellschaft: Einzelteile gibt's nur im teuren Ersatzteil-Set
Aus Espresso vom 23.11.2021. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 3 Sekunden.
Inhalt

Wegwerf-Wahnsinn Ersatzteil-Frust bei Rollator

Ein Rentner braucht ein kleines Bremsblech. Der Hersteller weigert sich, es einzeln zu liefern.

Ein 87-jähriger Rentner aus dem Kanton Bern ist mit seinem Rollator oft auf Naturstrassen unterwegs. Sand und Kieselsteine sorgten dafür, dass das dünne Bremsblech durchscheuerte und ersetzt werden musste. Und zwar auf beiden Seiten. 

25 Franken für ein simples Ersatz-Blech

Doch das Ersatzteil mit einem geschätzten Wert von unter einem Franken gibt es nur im kompletten Set – für 25 Franken. Es kostet gleich viel wie ein Ersatzrad. Ein Verhältnisblödsinn, findet der 87-Jährige im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Die Firma ist nicht bereit, das kleine Blech einzeln zu liefern.
Autor: «Espresso»-Hörer

Das dünne, rund vier Zentimeter lange Blech ersetzt er ohne grossen Aufwand selbst. Den Rest dieses «Brems-Sets» müsse er wohl oder übel entsorgen. Den Halter aus Plastik und die Schrauben brauche er nicht.

Doch der Hersteller liefert das Verschleissteil nicht einzeln. Der Berner hat extra nachgefragt: «Die Firma ist nicht bereit, das kleine Blech einzeln zu liefern.»

Etwas, das man in zehn Minuten vor Ort erledigen könnte, einfach wegwerfen und ein komplett neues Gerät liefern, das ist doch Unsinn.
Autor: «Espresso»-Hörer

«Früher hat man Dinge noch repariert»

Die Folgen der Wegwerfmentalität erlebte der Rentner auch bei einem neuen Drucker. Im Innenraum hatte sich ein Klebestreifen gelöst. Das Gerät aufmachen und flicken – ein Aufwand von etwa zehn Minuten, schätzt der Senior. Doch der Händler holte das Gerät ab und gab ihm ein neues. «Etwas, das man in zehn Minuten vor Ort erledigen könnte, einfach wegwerfen und ein komplett neues Gerät liefern, das ist doch Unsinn», findet der Rentner.    

Den 87-Jährigen stört es, dass viele Geräte nicht mehr repariert werden. Und dass es häufig auch an vernünftigen Ersatzteilen fehlt. «Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der man Dinge noch repariert hat,» sagt er im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Jährlich mehr als 20 Kilo Elektroschrott – pro Person

Jährlich verursacht jede Person in der Schweiz im Durchschnitt Elektroschrott von mehr als 20 Kilo, sagt die Umweltorganisation Greenpeace. Reparieren statt wegwerfen – das würde der Umwelt helfen, ist Barbara Wegmann von Greenpeace überzeugt: «Die Produktion ist bei vielen Dingen die grösste Umweltbelastung. Wenn man alte Produkte länger nutzt, fällt diese weg.»

Reparieren ist häufig teurer als ein neues Gerät kaufen. Und das ist eigentlich völlig absurd.
Autor: Barbara Wegmann Greenpeace

Fehlende Ersatzteile oder nicht reparierbare Geräte? Haben Sie auch schon einen Wegwerf-Wahnsinn erlebt? «Espresso» sammelt Ihre Beispiele via Espresso@srf.ch oder dem Formular unten.

«Espresso» ist an Ihrer Meinung interessiert

Box aufklappen Box zuklappen

Neu kaufen ist häufig billiger als Reparieren

Doch für ein «Recht auf Reparatur» gibt es noch viele Hürden. Erstens fehlt es häufig an Ersatzteilen, zweitens lassen sich viele Geräte nicht mehr öffnen, weil sie verleimt statt verschraubt sind. «Eine weitere Hürde ist auch der Preis. Reparieren ist häufig teurer als ein neues Gerät kaufen. Und das ist eigentlich völlig absurd», so Wegmann von Greenpeace.

In der EU müssen Hersteller von Kühlgeräten, Waschmaschinen, Tumblern und Geschirrspülern dafür sorgen, dass mindestens sieben Jahre ab dem Verkauf des letzten Gerätes Ersatzteile vorhanden sind. Das ist mittlerweile auch in der Schweiz so.

EU-Länder sind der Schweiz voraus

Doch andere Länder der EU gehen noch weiter: «In Frankreich gibt es einen Reparatur-Index, der anzeigt, wie gut reparierbar ein Produkt ist», sagt Barbara Wegmann. In verschiedenen EU-Ländern wird die Reparatur zudem durch einen reduzierten Mehrwertsteuersatz finanziell attraktiver gemacht.

Greenpeace fordert Anpassung des Umweltgesetzes

Box aufklappen Box zuklappen

Gemäss einer repräsentativen Umfrage wären viele Leute in der Schweiz bereit, für reparierbare Geräte etwas mehr zu bezahlen. Greenpeace Schweiz will das «Recht auf Reparatur» in die Revision des Umweltschutzgesetzes aufnehmen, das derzeit in der Vernehmlassung ist.

Die Umweltorganisation lancierte zudem kürzlich eine Petition mit drei Forderungen an die Politik:

  1. Reparierbare Produkte zu fördern.
  2. Die Hersteller dazu zu verpflichten, dass Konsumentinnen Zugang zu Ersatzteilen und zu technischen Informationen erhalten.
  3. Die Reparatur finanziell attraktiver zu machen, beispielsweise mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz.

Espresso, 23.11.2021, 08:13 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel