Mitten im Grünen, am Rand der Stadt Biel, leicht erhöht Richtung Jura steht das Pfadiheim Orion – das neue Zuhause von bis zu 15 Randständigen.
Normalerweise müssen die Obdachlosen um 10:30 Uhr die Notschlafstelle verlassen und dürfen erst um 20:00 Uhr wieder kommen. Hier im Pfadiheim dürfen sie bleiben – sie müssen aber putzen.
Das Putzen gibt ihnen das Gefühl, ein Zuhause zu haben.
Das eigentliche Sleep-In an der Mattenstrasse in der Bieler Innenstadt, nur 400 Meter vom Bahnhof entfernt, ist weiterhin offen. Um die Corona-Massnahmen einhalten zu können, dürfen dort jedoch nur noch 19 statt 29 Obdachlose übernachten. Darum wurden im Pfadiheim zusätzliche 15 Plätze geschaffen – das Pfadiheim zudem bleibt 24 Stunden offen, auch für die 19 Leute, die im Sleep-In übernachten.
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Mit dem Bus erreicht man das Pfadiheim Orion in nur 15 Minuten. Das Stadtleben ist hier aber weit weg.
Marielle Gygax/SRF
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Am Morgen lassen nur die Schuhe auf dem Fensterbrett erahnen, dass hier derzeit mehrere Leute wohnen.
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Ab 09:00 Uhr gibt es zwar Frühstück, neben der Mitarbeiterin Valerie Ackle ist aber noch nicht viel los. Sie erhält an diesem Morgen Besuch von Bruno Bianchet von der Stadt Biel – er hat die neue Unterkunft aufgegleist.
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Das Herzstück ist der grosse Raum im Obergeschoss. «Es sieht aus wie in Kanada», sagt Valerie Ackle. Hier würden sie zu Abend essen…
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…und die Spiele spielen, welche sie als Spende erhalten haben. Ein Puzzle sei schon fertig.
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Um 10:30 Uhr erwacht das Haus definitiv – es ist Zeit zu putzen. Mit Kopfhörern im Ohr saugt ein Bewohner den grossen Raum. Sobald er fertig ist, klingt die Musik wieder aus den Boxen.
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Die Putzsachen finden die Bewohnerinnen und Bewohner im Untergeschoss. Es sei alles etwas provisorisch, aber es funktioniere, sagt Valerie Ackle.
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Immer zwei Betreuerinnen oder Betreuer sind vor Ort – sie arbeiten in zwei Schichten: von Mittag bis um 19:00 Uhr und von 19:00 Uhr bis am nächsten Mittag.
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Hinter einer verschlossenen Türe schlafen sie, haben ihr Büro und verstauen auch die Bettwäsche für die Bewohnerinnen und Bewohner.
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Dazu gehört aber eben auch, dass die Duschen gefegt, die Toiletten geputzt, der Boden gesaugt wird. «Ich glaube, sie geniessen es auch zu putzen, es gibt ihnen das Gefühl, ein Zuhause zu haben», sagt Valerie Ackle, Mitarbeiterin der Notschlafstelle Sleep-In.
Am Abend putzen die Betreuerinnen und Betreuer das Haus noch einmal gründlich – mit Desinfektionsmitteln. «Gestern Abend haben sie mir aber gesagt, ich solle aufhören, sie würden das ja machen.» Sie müsse sich gegen die Männer fast wehren, selber noch putzen zu dürfen, sagt Valerie Ackle mit einem Augenzwinkern.
Es ist besser als vorher, mir gefällt es sehr gut hier.
Zu Beginn hätten die Obdachlosen sich einfach nur ausgeruht und viel geschlafen. «Wir wissen nicht wie es ist, jeden Tag hinaus zu müssen», sagt Ackle über die Obdachlosen. Sie würden es nun geniessen, einen Ort zu haben, an dem sie nicht sofort wieder gehen müssen.
Hier könne er gut schlafen, er sei in der Natur, könne Sport machen, habe Strukturen, ein Programm, sagt einer der Bewohner. «Es ist besser als vorher, mir gefällt es sehr gut hier.»
Biel will Randständige von der Strasse holen
Box aufklappenBox zuklappen
Viele Treffpunkte der Randständigen sind geschlossen, das Angebot der Institutionen wie der Gassenküche eingeschränkt. «Die Leute würden auf der Strasse landen», sagt Bruno Bianchet, Leiter Abteilung Erwachsenen- und Kindesschutz der Stadt Biel. Sie hat deshalb ein Pfadiheim eingerichtet.
Die Pfadi Orion hat ihr Heim rasch zur Verfügung gestellt – nicht ohne selbst davon zu profitieren. Die Stadt zahlt nämlich für die Miete des Heims. «Damit können wir die Mieten decken, die derzeit verloren gehen, weil wir das Heim sonst nicht vermieten können», sagt Sophie Greusing von der Pfadi Orion.
Neben dem Pfadiheim Orion hat die Stadt auch das Pfadiheim in Orpund in Betrieb genommen, wo Obdachlose mit dem Coronavirus untergebracht werden. Weil damit aber mehr Personal gebraucht wird, rechnet die Stadt mit Mehrkosten von rund 200'000 Franken für alle Corona-Massnahmen für die Randständigen. Ob die Stadt oder der Kanton dies zahlt, ist laut Bianchet offen.
Mittelwege sei der Alltag eingekehrt. Am Abend würden sie Domino spielen, Puzzle zusammensetzen, im Wald spazieren gehen – «heute möchten sie gärtnern», erzählt Valerie Ackle.
Mit dem Alltag sind aber auch die Gedanken, Sorgen zurückgekehrt. «Die neue Situation liess ihnen die Sorgen zu Beginn etwas vergessen», sagt Valerie Ackle. Nun hätten sie aber Zeit zum Überlegen. Viele der Bewohner haben psychische Probleme. «Man merkt, dass wir sie nun moralisch unterstützen müssen.» Auch vor der Angst vor Corona.
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