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Corona-Podium in Aargau fast ohne Sicherheitsmassnahmen – Interview mit Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 17.08.2020. Bild: SRF
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Corona-Podium Aarau «Ich habe mir überlegt, ob man abbrechen soll»

Freitag, 14. August 2020: Die lösungsorientierte Volksbewegung organisiert in Aarau ein Podium zu Corona. Gibt es die Pandemie überhaupt? Tut man das Richtige, um sie zu bewältigen? So lautete die Fragestellung. Auf dem Podium sassen Politikerinnen und Politiker, Unternehmer und Ärzte. Das Podium fand auf dem Vorplatz des Kultur- und Kongressgebäudes statt. Es zog viele Besucherinnen und Besucher an, zwischen 300 und 400. Aufgrund ihrer Äusserungen muss man die meisten von ihnen bei den sogenannten Corona-Skeptikern einordnen. Von einem Schutzkonzept war nichts zu erkennen. Die Leute sassen und standen sehr eng beieinander. Niemand trug Masken. Anwesend war auch der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati. Er überbrachte eine Grussbotschaft der Aargauer Regierung.

Jean-Pierre Gallati

Jean-Pierre Gallati

Regierungsrat SVP Aargau

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Jean-Pierre Gallati (Jahrgang 1966) ist Rechtsanwalt und wohnt in Wohlen. Er besuchte in Aarau die Alte Kantonsschule, studierte Rechtswissenschaften in Zürich und machte 1994 das Anwaltspatent. Von 2006 bis 2015 sass er im Einwohnerrat der Gemeinde Wohlen. Von 2009 bis 2019 war er für die SVP Mitglied des Aargauer Kantonsparlaments (Grosser Rat), von 2015 bis 2019 leitete er die Fraktion. 2019 wurde Jean-Pierre Gallati zuerst in den Nationalrat und dann auch in die Aargauer Regierung gewählt (Ersatzwahl F. Roth). Er absolvierte eine Session als Nationalrat (2.-20.Dez. 2019). Mitte Dezember 2019 trat er sein Amt als Regierungsrat an.

SRF: Jean-Pierre Gallati, hätte das Podium in dieser Form stattfinden dürfen?

Jean-Pierre Gallati: Ich stellte auch fest, dass auf dem Schlossplatz so viele Leute waren, dass man 100er-Sektoren hätte abgrenzen müssen und dass man zumindest in den hinteren Reihen die Abstände hätte sicherstellen müssen. Darum habe ich zumindest ermahnt, die Abstände einzuhalten. Ich weiss nicht, ob das gelungen ist.

Nein, es ist nicht gelungen. Sie wurden ja ausgelacht für diese Ermahnung. Das Publikum wollte das nicht hören und trug ja auch keine Masken. Sie waren dort als Vertreter der Aargauer Regierung, die gerade letzte Woche mitgeteilt hat, die Corona-Situation sei schwierig, es brauche schärfere Massnahmen und sie haben die 100er-Regel verlängert. Und dann gibt es ein Podium, wo offenbar nichts gilt. Hätten Sie nicht aufstehen und die Veranstaltung stoppen müssen?

Ich habe mir einen Moment überlegt, ob man abbrechen soll. Ich musste aber abwägen zwischen dem Wert der Meinungsfreiheit und dem Zweck der Veranstaltung. Es waren Corona-kritische Leute. Kein einziger der anwesenden Experten, Prof. Tanner von der Taskforce oder Ärzte haben verlangt, dass man abbricht. Ich fand es wichtiger, diesen Leuten zuzuhören und die Debatte zu ermöglichen. Man muss auch berücksichtigen, dass der Anlass im Freien stattfand. So dramatisch war die Verletzung der Vorschriften nicht.

Corona-Podium: Hintergründe

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Das Podium wurde von der Lösungsorientierten Volksbewegung organisiert. Die Organisatoren hatten von der Stadtpolizei Aarau dafür eine Bewilligung erhalten. Sie reichten ein Schutzkonzept ein. Darin stand, man würde nur so viele Personen einlassen, wie es die Mindesabstände erlauben würden. Die Teilnehmer würden in Gruppenblöcke à 100 Personen eingeteilt, die einen Abstand zueinander einhalten müssten. Zudem werde die Zahl der Teilnehmehmenden auf 300 begrenzt. Vor Ort war von diesen Massnahmen praktisch nichts zu sehen. Die Organisatoren sagen, sie hätten das Publikum auf die Abstände hingewiesen und sie hätten Namenslisten aufgelegt. Letztlich liege es aber in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen, ob er sich an die Vorschriften halten wolle oder nicht. Es sei auch schwierig gewesen, den Platz abzusperren, denn man habe die Ausfahrt für Autos gewährleisten müssen. Auf Anfrage sagt die Stadtpolizei Aarau, sie habe keine Kontrollen durchgeführt an diesem Anlass.

Aber die 100er-Regel gilt nun mal. Und nicht nur in geschlossenen Räumen, sondern überall. Ich war am Sonntag an einer Konfirmation in einer Kirche. Da galt ein sehr strenges Schutzkonzept: Jede Familie einzeln, alle trugen Masken, grosse Abstände, im Voraus musste man Namenslisten einreichen. Man erhielt sogar eine Warnung von der Kirche, dass kantonale Kontrolleure in Zivil anwesend sein könnten. Und dann der Anlass in Aarau, praktisch ohne jede Schutzmassnahme. Kommt sich da ein Veranstalter, der sich an die Vorschriften hält, nicht für dumm verkauft vor? Sind die Ellen gleich lang?

Es sind zwei verschiedene Fälle. Ich sage nicht, dass die Organisatoren des Podiums alles richtig gemacht hätten. In einer Kirche, in einem geschlossenen Raum, breitet sich das Virus schneller aus als auf einem freien Platz, wo die Leute hintereinander stehen. Und wenn es jemandem nicht passt, kann er ja gehen.

Hat das Podium noch ein Nachspiel? Schaut der Kanton bei den Kontrollen nun genauer hin? Oder geht das einfach so durch?

Es ist in der Verantwortung der Veranstalter. In diesem Fall bei der Lösungsorientierten Volksbewegung. Diese war offensichtlich überfordert bei der Organisation. Veranstalter werden punktuell kontrolliert. Dort, wo es nötig ist, schreitet die Polizei ein.

Die Fragen stellte Stefan Ulrich

Regionaljournal Aargau Solothurn, 17.30 Uhr;

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