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Debatte im Einwohnerrat Privatisierung der Grünabfuhr: (K)eine Sensation in Wohlen

Das Gemeindeparlament hat am Montag über eine Privatisierung der Grünabfuhr debattiert. Offensichtlich ohne zu wissen, was man darunter genau verstehen soll.

Es ist eine Sensation, die bei genauerer Betrachtung dann eben doch keine ist: Die Freiämter Zentrumsgemeinde soll ihre Grünabfuhr privatisieren, findet eine hauchdünne Mehrheit im Einwohnerrat. Die Debatte zum Thema zeigt aber auch, woran die parlamentarische Demokratie so oft krankt.

Die Vorgeschichte

Aber der Reihe nach: In Wohlen werden keine Grüngut-Gebühren erhoben. Die Entsorgung der Kompost-Abfälle wird aus Steuergeldern bezahlt. Das ist gemäss Bundes- und Kantonsrecht seit 2012 illegal. Doch das Stimmvolk hat verursachergerechte Gebühren bereits viermal verworfen.

Diverse Einwohnerräte um den ehemaligen CVP-Parlamentarier Franz Wille hatten deshalb einen neuen Vorschlag in die Diskussion eingebracht: Der Gemeinderat solle eine Privatisierung der Grüngut-Entsorgung prüfen.

Komplette Privatisierung: Ein «Novum»

Auf zehn Seiten hat der Gemeinderat dargelegt, was eine solche Privatisierung bedeutet. Kantonale Ämter und eine externe Firma wurden um Rat gefragt. Denn die vollständige Privatisierung wäre ein «Novum», wie der Gemeinderatfesthält. Man kennt das so nirgendwo.

Eine private Firma würde die Entsorgung der Kompost-Abfälle übernehmen, auf eigene Kosten und Rechnung. Die Gemeinde gäbe nur ganz grobe Rahmenbedingungen vor. Ansonsten aber wäre eine private Firma völlig frei, wie sie die Entsorgung organisiert und auch, wie viel sie dafür von den Hausbesitzern verlangt.

So etwas gibt es tatsächlich noch nicht. Es wäre eine Sensation. Und eine schwierige Aufgabe für Wohlen. Der Gemeinderat fürchtet aufwändige juristische Abklärungen und will deshalb nichts wissen von dieser Privatisierungsidee.

Container mit Aufkleber "Abfälle zum Kompostieren"
Legende: Die Wohlerinnen und Wohler entsorgen gemäss Gemeinderat 63 Prozent mehr Grüngut als der Schweizer Durchschnitt. Keystone

«Teil-Privatisierung» gibt es schon

Und jetzt wird es absurd: Im Einwohnerrat wurde am Montagabend über diese Privatisierung debattiert. Vertreter von CVP und SVP setzten sich für eine Privatisierung ein, ausgerechnet die liberale Seite im Parlament (zum Beispiel FDP und GLP) wehrte sich.

Verkehrte Welt in Wohlen, könnte man denken. Was ist passiert? Ganz einfach: Die Befürworter einer Privatisierung verstehen unter dem Stichwort «Privatisierung» etwas ganz anderes als der Gemeinderat und die Gegner.

Es gebe doch jetzt schon Gemeinden, in denen private Firmen das Grüngut entsorgen, hiess es da zum Beispiel aus den Reihen der CVP. Die Firmen wägen die Bio-Tonnen vor den Häusern und verschicken Rechnungen an die Hausbesitzer.

Das stimmt. Allerdings werden in diesen Gemeinden die Rahmenbedingungen – also zum Beispiel auch die Höhe der Gebühren – von der Politik vorgegeben. Die Firma erfüllt lediglich einen Auftrag der Gemeinde. Man könnte also von einer «Teil-Privatisierung» sprechen.

Die Diskussion, die gar keine war

Der Einwohnerrat diskutierte lange hin und her. Dem stillen Beobachter war schnell klar, dass die beiden Lager nicht die gleiche Vorstellung von «Privatisierung» haben. Im Einwohnerrat merkten es offenbar nur wenige: Einer zeigte sich unsicher, ein anderer versuchte das Missverständnis gar zu klären. Erfolglos.

Am Schluss setzen sich mit 17 zu 16 Stimmen diejenigen durch, die eine Privatisierung wollen. Wobei diese Leute ja nur eine «Privatisierung light» darunter verstehen - was wiederum auch die Gegner der «totalen Privatisierung» gar kein Problem finden, wie Gespräche nach der Sitzung zeigen.

Auch für den Gemeinderat sei es klar, dass ein privates Unternehmen den Auftrag für die Entsorgung erhalte, heisst es aus der Verwaltung. Kurz: Man ist sich eigentlich einig in der Wohler Politik.

Fazit

Inhaltlich bedeutet dieser Beschluss vom Montagabend also: Der Gemeinderat muss nun ein neues Abfallreglement erarbeiten. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Wohlen werden wohl bald – wie die meisten anderen im Kanton – Gebühren nach dem Verursacherprinzip bezahlen für ihr Grüngut.

Vor allem aber zeigt die Debatte am Montag, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier viel besser sind im Reden als im Zuhören. Sonst hätte man gemerkt, dass man völlig aneinander vorbei diskutiert.

Zugegeben: Das ist nicht nur in Wohlen so. Aber die Grüngut-Debatte vom Montag ist ein Lehrstück für dieses Phänomen.

(Regionaljournal Aargau Solothurn, 06:32 Uhr)

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