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Aargau Solothurn Kino-Erfolg und Skandal: «Das Wunder der Liebe» in Reinach

Das Theater am Bahnhof in Reinach (AG) feiert sein 30-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass hat das ambitionierte Amateur-Ensemble ein neues Stück erarbeitet: Es beleuchtet die bewegte Geschichte des ehemaligen Kinos Sommer in Reinach. Dieses Kino war 1968 Schauplatz eines veritablen Skandals.

Der Deutsche Oswalt Kolle gilt als Aufklärer der Nation: 1968 produziert er den Film «Das Wunder der Liebe». Der Aufklärungsfilm thematisierte die Sexualität zwischen Ehemann und Ehefrau, gezeigt werden fiktive Fallbeispiele, die dazugehörigen Einordnungen des Experten – und ein ganz wenig Haut.

Aufwendige Inszenierung

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Legende: Arca Filmproduktion

«Wunder der Liebe» wird im Theater am Bahnhof an zwei Orten inszeniert: Das Publikum sitzt im Theatersaal oder im Kinosaal im ersten Stock, in der Pause wird gewechselt. Neben dem Schauspiel werden auch Filme eingespielt und sogar zwei Live-Kameras stehen im Einsatz. Autor des Stückes ist Adrian Meyer, die Inszenierung leitet Gunhild Kramer.

Der Film sorgte in ganz Europa für Furore und Skandale. In einigen Ländern wurde er verboten, in anderen strömten Millionen in die Lichtspielhäuser. In der Schweiz entschieden die kantonalen Filmkommissionen, ob der Streifen in die Kinos kommen durfte. Pikant: Im Aargau wurde der Film erlaubt, in den Nachbarkantonen Zürich und Luzern hingegen durfte man ihn nicht zeigen.

Warteschlangen bis zum Bahnhof

Das war die Chance des Landkinos im aargauischen Reinach. Die Familie Sommer zeigte den umstrittenen Film im Jahr 1968 - und erreichte damit den grössten Erfolg ihrer Firmengeschichte. Sieben Wochen lang war der Kinosaal restlos ausverkauft, trotz höherer Eintrittspreise. Es habe Warteschlangen gegeben bis zum Bahnhof, erzählt eine Zeitzeugin gegenüber SRF.

Gleichzeitig sorgte der Film natürlich auch im eher ländlichen und konservativen Wynental für Diskussionsstoff. Eltern verboten ihrem Nachwuchs den Kinobesuch, ein Vater hatte sogar seine Tochter während der Filmvorführung aus dem Saal geholt, wie Zeitzeugen berichten. Der Pfarrer aus dem luzernischen Nachbardorf von Reinach kontrollierte derweil auf dem Parkplatz vor dem Kino die Nummernschilder. Später konfrontierte er seine «Schäfchen» mit dem «verbotenen» Kinobesuch.

Zeitzeugen erinnern sich

Diese Geschichten bilden die Grundlage für die Inszenierung «Wunder der Liebe» im Theater am Bahnhof. «Wir haben viele Zeitzeugen befragt und intensiv recherchiert», erzählt Theaterleiter Clo Bisaz.

Audio
Zeitzeugen erinnern sich an das «Wunder der Liebe» in Reinach (26.2.2015)
08:51 min
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 51 Sekunden.

Das Stück erinnert also an eine breite gesellschaftspolitische Diskussion in den wilden Sechzigern, die mit dem Kinofilm auch das Oberwynental erreichte.

Auch der Reinacher Gemeindeammann Martin Heiz erinnert sich an das «Wunder der Liebe». Er war damals 17-jährig, durfte also den Film (Schutzalter 18) eigentlich gar nicht sehen. «Wir haben aber natürlich alles versucht, um irgendwie in den Kinosaal zu kommen. Die Eintritte hat ein älterer Kollege besorgt, schliesslich habe ich es geschafft», erzählt der FDP-Politiker.

Noch heute verschweigen Leute diesen Kino-Besuch

Für Heiz war es als junger Bursche vor allem der Reiz, «Sachen zu sehen, von denen wir keine Ahnung hatten». Für Marlies Pfendsack, damals mit 23 Jahren frisch verheiratet, war der Filmbesuch aber auch eine Art «revolutionärer Akt». «Wir hatten damals noch kein Frauenstimmrecht. Und der Film zeigte, dass auch Frauen etwas empfinden sollen im Sexualleben. Das war neu, und das haben wir in unserem Alter nachher diskutiert.»

Inzwischen ist die Aufregung um diesen Film natürlich längst verschwunden. Aus heutiger Sicht sind denn auch die Szenen aus Kolles Werk mehr belustigend als erotisch aufgeladen. Trotzdem: Offenbar war der gesellschaftliche Druck 1968 wirklich gross. Martin Heiz erzählt: «Ich habe verschiedene Zeitzeugen kontaktiert, damit sie über diese Zeit erzählen. Aber ich war erstaunt: Viele wollen noch heute nicht darüber reden, dass sie damals diesen Film gesehen haben.»

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