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Was ist los im Aargauer Städtchen Mellingen?
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 15.05.2019. Bild: Keystone
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Reussstadt Mellingen Der grosse Streit zwischen Gemeinderat, Gemeinderat und Zeitung

In der kleinen Stadt hängt der Haussegen schief im Zusammenhang mit einem Gemeinderat, der auch Journalist ist.

Die aktuelle Situation: Am Dienstag verschickte der Gemeinderat (Regierung der Stadt) von Mellingen eine Mitteilung an die Medien. Titel: «Informationen zu Amtsgeheimnisverletzung». In der Mitteilung wird der Name Beat Gomes erwähnt, er ist Mitglied des Gemeinderates. In der Mitteilung steht nicht explizit, Gomes habe das Amtsgeheimnis verletzt. Aber der Gemeinderat platziert diverse Hinweise, die den Leser zum Schluss kommen lassen müssen, dass Beat Gomes das Amtsgeheimnis verletzt habe.

Die Vorgeschichte: Beat Gomes trat Anfang 2018 sein Amt an als neu gewählter, parteiloser Gemeinderat. Zum Zeitpunkt der Wahl war er fest angestellter Redaktor bei der Lokalzeitung «Reussbote» (RB). Noch bis Anfang Januar 2018 arbeitete er für dieses Blatt. Dann ging er in Pension, arbeitet aber seither weiter als freier Mitarbeiter für den RB.

Vor der Wahl in den Gemeinderat hatte Gomes als RB-Redaktor den amtierenden Gemeindeammann Bruno Gretener wiederholt und heftig kritisiert, insbesondere dessen Kommunikationsstrategie.

Gemeinsam im Rat: Ab Anfang 2018 sassen dann der Redaktor und der Ammann gemeinsam in der Stadtregierung. Beim Ammann und drei seiner Ratskollegen kam schon bald der Verdacht auf, Gomes würde Informationen aus dem Gemeinderat der Lokalzeitung zutragen. Im Mai 2018 eskalierte die Situation. Der «Reussbote» publizierte Artikel zur Umfahrung Mellingen, die vertrauliche Informationen aus dem Gemeinderat enthielten.

In den Augen des Gemeinderates handelte es sich um eine Amtsgeheimnisverletzung. Deshalb machte er eine Meldung an die Staatsanwaltschaft. Der Gemeinderat betont in seiner Mitteilung vom Dienstag, es sei nicht eine Strafanzeige gegen Gomes gewesen.

Zwei Löwen über einem Tor.
Legende: Mellingen mit seiner mittelalterlichen Altstadt liegt an der Reuss. Hier das Wappen am Lenzburgertor. Keystone

Das Verfahren wird eingestellt: Die Staatsanwaltschaft (Stawa) kam zum Schluss, Beat Gomes sei ein Verdächtiger. Sie eröffnete eine Untersuchung gegen ihn und befragte sowohl die Mitglieder des Gemeinderates wie auch den Chefredaktor des RB. Die Staatsanwaltschaft fand aber keine Belege dafür, dass Gomes das Amtsgeheimnis verletzt habe. Deshalb stellte sie das Verfahren ein.

Die Einstellungsverfügung ist unterwegs zu Gomes. Aktueller Stand: Die Stawa stellt ihr Verfahren ein, der Gemeinderat verschickt gleichzeitig aber eine Mitteilung, in der er mehr oder weniger deutlich Gomes als Täter hinstellt.

Die Sicht des Ammanns: Gemeindeammann Bruno Gretener sagt im Gespräch mit SRF, es habe von Anfang an Unstimmigkeiten mit Beat Gomes gegeben. Er erwähnt die Fasnacht 2018 in Mellingen. Gomes habe den Organisatoren eigenmächtig zugesagt, dass er in Vertretung des Gemeinderates den Stadtschlüssel an die Narren übergeben werde. Dabei habe er eine Ansprache gehalten, die man nicht verstanden habe, weil Gomes betrunken gewesen sei.

Das Fass zum Überlaufen habe dann die Berichterstattung zur Umfahrung Mellingen gebracht. Im August 2018 habe man Gomes nach weiteren Vorfällen und wegen unkollegialen Verhaltens etliche Dossiers entziehen müssen.

Die Sicht von Beat Gomes: Der parteilose Politiker sagt auf Anfrage, die Vorwürfe seien komplett falsch. Gegen ihn laufe in Mellingen eine Verschwörung. Er sei im Gemeinderat nicht willkommen, weil er seine Meinung offen sage. Er habe seine politische Tätigkeit immer sauber getrennt von seiner Arbeit als Journalist.

Abgesehen davon sei er selten auf der Redaktion des «Reussboten», er arbeite meist zu Hause. Er könne dem Chefredaktor also gar nicht einfach so Internas aus dem Gemeinderat weitergeben. Und weiter: Mellingen sei eine kleine Gemeinde. Alle würden mit allen reden, und so habe eine Lokalzeitung viele Möglichkeiten, um an Informationen zu gelangen.

Die Sicht der Lokalzeitung: Benedikt Nüssli, Chefredaktor und Besitzer des RB, betont, man achte darauf, die journalistische und politische Tätigkeit von Beat Gomes sauber zu trennen. Über die Umfahrung Mellingen sei er (B. Nüssli) immer gut informiert gewesen, weil er sehr viele Gespräch dazu geführt habe im Rahmen von Recherchen. Er habe aus vielen Teilen ein Puzzle zusammengesetzt. Welche Information von wem stamme, könne er nicht in jedem Fall rekonstruieren.

Lastwagen in Altstadt.
Legende: Mellingen hat rund 5700 Einwohnerinnen und Einwohner. SRF

Schuld oder Unschuld? Spricht man mit Ammann Bruno Gretener, tönen seine Argumente glaubwürdig. Hört man Beat Gomes an, wirkt er überzeugend. Und auch die Argumente von «Reussbote»-Chefredaktor Benedikt Nüssli leuchten ein. Wo also liegt das Problem in Mellingen? Es ist schwer zu sagen. Alle Beteiligten weisen darauf hin, dass Beat Gomes und Bruno Gretener kein gutes Verhältnis hätten zueinander. Übereinstimmend heisst es, die Situation sei sehr angespannt und belaste das Klima in der Stadt.

Aber die nächsten Wahlen sind erst wieder Ende 2021. Bis dann müssen der Gemeinderat Mellingen und sein Mitglied Beat Gomes wohl noch miteinander auskommen. Denn sowohl Gomes wie auch Ammann Gretener und die anderen Mitglieder des Gemeinderates schliessen einen vorzeitigen Rücktritt kategorisch aus.

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