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Urban Farming Mehr Fisch und Gemüse dank intelligenter Steuertechnik

Die Fachhochschule Nordwestschweiz will das Aquaponic-Konzept weiterbringen: Gemeint ist damit die Ernte von Fisch und Gemüse. Ein Kritiker ist skeptisch.

Die Idee ist einfach und uralt: Der Mensch hält Tiere, deren Kot düngt Felder. Am Schluss erntet der Bauer die Früchte des Feldes und schlachtet die Tiere – eine Kreislaufwirtschaft.

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Verkauf von Urban-Farming-Produkten
Aus Tagesschau vom 16.08.2013.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 20 Sekunden.

Wenn man das aber im eigenen Garten machen will, und wenn die Tiere Fische sind, dann wird die Sache komplizierter. Unter dem Begriff «Aquaponic» werden seit mehreren Jahren Anlagen realisiert, die Fischhaltung und Gemüseanbau kombinieren. Entwickelt wurde das Ganze in der Region Aargau Solothurn.

Die Fische werden in Tanks grossgezogen. Ihre Ausscheidungen gehen mit dem Wasser in Gemüsekulturen, wässern und düngen diese. Anschliessend geht das Wasser – gereinigt durch die Pflanzen – zurück in den Fischtank. Die Anlage steht unter einer Kuppel, sie ist also eine Art Treibhaus.

Komplexe Zusammenhänge

Die Schwierigkeit dabei: Eine Vielzahl von Parametern muss perfekt aufeinander passen. Unter anderem Luft- und Wassertemperatur, Säuregehalt des Wassers, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Sauerstoffgehalt des Wassers. Bis anhin musste der Betreiber einer solchen Anlage diese jeden Tag mehrmals kontrollieren und verschiedene Messungen vornehmen.

Die Fachhochschule Nordwestschweiz hat nun eine Steuerung entwickelt, die eine Aquaponic-Anlage automatisch überwacht. Wenn es zu heiss wird, öffnet sie Fenster im Treibhaus, wenn es zu kalt wird, heizt sie das Wasser im Fischtank. Natürlich steuert die Anlage auch die Fütterung der Tiere und sie merkt, wenn sie Sauerstoff ins Wasser geben muss.

Technik handelt wie der Mensch

Fische

Box aufklappen Box zuklappen

In Aquaponic-Anlagen kann man keine Forellen oder Lachse züchten. Diese Fische brauchen kaltes Wasser mit viel Sauerstoff. Das Wasser in Aquaponic-Anlagen ist aber warm und arm an Sauerstoff. Vor allem Weissfische wie Karpfen gedeihen darin. Nach Angaben der FHNW lässt sich eine mittelgrosse Aquaponic-Anlage für ca. 10'000 Franken bauen.

Kurz: Die Anlage tue das, was auch der Mensch tun würde, sei intelligent, sagt Jürg Keller, Professor für Regelungs- und Steuerungstechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) gegenüber SRF: «Die Steuerung basiert auf vielen Sensoren. Und sie hat eine clevere Logik, um all die verschiedenen Sachen unter einen Hut zu bringen.»

Ein weiterer Vorteil des neuen Systems der FHNW: Die Steuerung lässt sich fernbedienen. Und das System schickt auch Alarme, wenn sich ein Wert negativ verändern sollte. «Heute, mit dem Internet of Things, kann man von überall her auf die Anlage zugreifen. Wir haben das auch so gemacht, dass es sicher ist, es kann also niemand die Anlage manipulieren», sagt Jürg Keller.

Die FHNW testet ihre Steuerung nun in einer Pilotanlage in Niederlenz. Sie hofft, dass das Aquaponic-Konzept dadurch neuen Schub erhält. Bis jetzt haben die Anlagen den Durchbruch nämlich nicht geschafft, weil sie komplex sind und viel Kontrollaufwand benötigen.

Für Anlagen im industriellen Stil sei die Steuerung der FHNW aber nicht gedacht, betont Professor Jürg Keller. Auch nicht für den Einsatz im kleinen Schrebergarten. «Unsere Steuerung ist gut geeignet zum Beispiel für ein Hotel, das den Gästen selber gezogene Fische und selber gezogenes Gemüse offerieren will.»

Kritik an Aquaponic

In der Theorie seien Aquaponic-Anlage zwar eine gute Sache, in der Praxis sehe es aber anders aus. Das sagt Bernhard Kaufmann aus Klingnau, er verkauft über seine Firma Tegatec komplette Anlagen für die Zucht von verschiedenen Fischen.

«Aquaponic ist Studentenfutter, auf dem Markt können diese Anlagen nicht bestehen», so Kaufmann. In der Praxis funktioniere der geschlossene Kreislauf in der Regel nicht oder nur schlecht. Das Wasser müsse man nämlich häufig ersetzen, die Reinigung durch die Pflanzen sei ungenügend.

Auch energiewirtschaftlich lohne sich der Betrieb nicht. «Die Fische sind in einem Treibhaus, das man an 365 Tagen im Jahr auf 20 bis 23 Grad heizen muss, auch wenn das Thermometer draussen minus 20 Grad anzeigt.» Das sei punkto Energieeffizienz «völliger Wahnsinn», so Kaufmann.

Das Angebot von Tegatec steht nicht in Konkurrenz zu Aquaponic, er könnte selbst auch Teile zu solchen Anlagen liefern, sagt Kaufmann. Wenn der Versuch der FHNW nun zeige, dass er sich irre und dass man Aquaponic tatsächlich rentabel betreiben könne, würde seine Firma in Zukunft auch entsprechende Anlagen beliefern, sagt Kaufmann.

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