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Aargau Solothurn Vereinbarkeit von Job und Politik aus Sicht der Wirtschaft

Den Dörfern fehlen immer häufiger die Gemeinderäte. Einer der Hauptgründe für die Misere: Ein Milizamt braucht viel Zeit – und das kann auf Kosten der beruflichen Tätigkeit gehen. Eine Studie hat nun dieses Spannungsverhältnis untersucht und macht Vorschläge.

Donnerstagabend im Gemeindesaal Möriken-Wildegg: Mitglieder des Aargauischen Gewerbeverbandes (AGV) und der Aargauischen Industrie- und Handelskammer (AIHK) beugen sich über eine Studie. Diese trägt die den Titel «Vereinbarkeit von öffentlichen Ämtern und Beruf im Kanton Aargau».

Ebenfalls anwesend und an diesem Papier interessiert sind zahlreiche Gemeindeammänner und Gemeinderäte aus dem ganzen Kanton Aargau. Im Publikum sitzen weitere Vertreter der kantonalen Verwaltung.

Hintergrund der Veranstaltung ist das vom Innendepartement aufgegleiste Projekt «Stärkung des Milizsystems» im Aargau. Damit reagiert der Kanton auf die Tatsache, dass immer mehr Gemeinden Mühe haben, genügend Gemeinderäte zu finden.

Erstellt hat die Studie das Schweizerische Institut für öffentliches Management. Die Schlussfolgerungen basieren auf einer Umfrage in der Aargauer Wirtschaft. Einen Fragebogen erhielten sämtliche Mitglieder der AIHK und des AGV. Fast 600 Unternehmen füllten den Fragebogen aus, das ist ein Rücklauf von 10 Prozent. Damit sei die Studie repräsentativ, schreiben die Autoren.

Die wichtigsten Resultate:

  • Die Aargauer Wirtschaft steht grundsätzlich hinter dem Milizsystem und ist bereit, dieses zu fördern.
  • Die Wirtschaft bietet flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit und ermutigt Angestellte zu Kandidaturen für öffentliche Ämter.
  • Vorteile des Milizsystems für die Wirtschaft: grosses Netzwerk, zusätzliches Wissen, Führungserfahrung.
  • Nachteile des Milizsystems aus Sicht der Wirtschaft: häufige Abwesenheiten der Mitarbeitenden, Schaden für das Image eines Unternehmens, wenn sich ein Mitarbeiter politisch zu stark exponiert.
  • Die Wirtschaft fordert eine bessere Planbarkeit der Miliztätigkeit. Sitzungen und Augenscheine sollten wenn immer möglich in Randstunden stattfinden. Dazu müsste zum Beispiel die kantonale Verwaltung Hand bieten.
  • Gemeinderäte sollten besser auf ihre Aufgaben vorbereitet werden. Schulungen und Einführungskurse sind verlangt.

Der Ball liegt nun bei...

Die Autoren der Studie haben Pro und Kontra wissenschaftlich analysiert. Damit das Milizsystem im Aargau und das Zusammenspiel mit der Wirtschaft wieder besser funktioniert, geben sie folgende Empfehlungen ab:

  • Entflechtung der operativen und strategischen Ebenen in einer Gemeinde. Wenn Gemeinderäte vorwiegend strategisch arbeiten, wird ihre Arbeit planbarer, was aus Sicht der Wirtschaft wünschenswert sei.
  • Die Entschädigungen für Ämter auf Gemeindeebene sollten erhöht werden. Dadurch könnten die Arbeitszeiten in den Betrieben reduziert werden. Teilzeitarbeit wäre möglich. Die Folge davon: Das Milizsystem löst sich auf und wird zum Teilzeit-Politsystem.

Der Aargauer Innendirektor Urs Hofmann versteht die Forderung der Wirtschaft nach besseren Entschädigungen. Es sei tatsächlich praktisch unmöglich, in einer grossen Gemeinde wie etwa Aarau im Milizsystem zu arbeiten. Das habe er selber gesehen, als er noch Stadtrat von Aarau war und dort das Bauamt leitete. «Das Milizsystem stösst dort an Grenzen, wo der Gesamtaufwand zu gross wird. Ein 30- bis 40-Prozent-Pensum als Stadtrat ist kein Milizamt mehr, sondern ein Teilzeitamt. Ich glaube, dazu muss man stehen.»

In kleineren Gemeinden könne man noch ehrenamtlich arbeiten als Gemeinderat. Diese Arbeitslast sei zu bewältigen, sagt Hofmann im Gespräch mit Radio SRF. Allerdings komme das Milizsystem in kleinen Gemeinden an die Grenzen, weil die Rekrutierungsbasis zu schmal sei. Im Klartext: Man findet schlicht und einfach keine Leute mehr für den Gemeinderat.

Wenn man an diesem Punkt angelangt sei, wenn Ämter in Gemeinden fast nur noch ohne Wahl besetzt würden, weil nur eine Kandidatur vorhanden ist, dann müssten sich Gemeinden Gedanken über die Zukunft machen: «Wenn man keine guten Leute mehr findet, dann muss man sich eventuell mit einer anderen Gemeinde zusammenschliessen. So gibt es dann wieder eine Wahlmöglichkeit.»

Vorteil der Grösse

Die Forderung, die strategische und die operative Ebene in Gemeinden zu trennen, klingt etwas abstrakt. Gemeint ist damit, dass sich etwa ein Gemeindeammann nicht um jede Kleinigkeit in der Gemeinde kümmern muss. Dadurch muss er weniger häufig seinen Arbeitsplatz verlassen, was für den Betrieb ein Gewinn ist.

Denn Planbarkeit ist eines der wichtigsten Anliegen der Wirtschaft im Zusammenhang mit dem Milizsystem. «Viele Leute wohnen heute nicht mehr dort, wo sie arbeiten. Wenn sie dann in der Gemeinde etwas erledigen müssen, kommt eine längere Anreise dazu», sagt Peter Lüscher, Geschäftsführer der AIHK. «Das ist aus Sicht der Wirtschaft eines der grösseren Probleme, denn solche Absenzen sind nicht planbar.»

Dass sich hier aber schnell etwas ändert, ist allerdings nicht zu erwarten. Denn eine Trennung von operativer und strategischer Ebene ist nicht einfach. Die Gemeinde müsste völlig neu organisiert werden. Geschäftsleitungsmodell ist hier das Stichwort. Und dieses eignet sich auch nur wieder für grössere Gemeinden. Womit das Thema Fusion auch hier in die Diskussion einfliesst.

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