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Sterbebegleiterin Erika Preisig steht vor Gericht
Aus Regionaljournal Basel Baselland vom 03.07.2019. Bild: SRF
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Strafrozess Sterbebegleitung Staatsanwältin fordert fünf Jahre Gefängnis für Erika Preisig

Das Gericht soll Sterbebegleiterin Erika Preisig wegen vorsätzlicher Tötung schuldig sprechen.

Der Tötungs-Prozess gegen die Sterbebegleiterin Erika Preisig vor dem Strafgericht Baselland hat am Mittwoch mit einem Kreuzfeuer der Verteidigung gegen das Gutachten der Anklage zur Urteilsunfähigkeit begonnen. Auch Zeugen wurden befragt.

Staatsanwältin fordert fünf Jahre Haft

Das Gericht soll Erika Preisig wegen vorsätzlicher Tötung schuldig sprechen, forderte die Staatsanwältin heute Morgen vor dem Gericht. Preisig droht nun eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 100 Franken. Weiter forderte die Staatsanwältin, dass Erika Preisig verboten wird, weiterhin als Sterbehelferin tätig zu sein. Erika Preisig habe sich strafbar gemacht, weil sie ihre persönlichen Überzeugungen habe durchsetzen wollen. Und zwar, dass sterbewilligen Personen unkompliziert in den Tod verhelfe. In einem Interview habe Erika Preisig beispielsweise gesagt: «Hier stirbt man nicht schwierig, sondern hier gibt es die Kultur des Todes».

Anwalt stellt Antrag auf Freispruch

Moritz Gall, Verteidiger von Preisig hinterfragt, ob die Patientin zu ihrer Lebzeit wirklich urteilsunfähig gewesen sei. Er sagte vor dem Gericht, es gäbe zu wenige Informationen, um Preisig eine vorsätzlichen Tötung vorwerfen zu können. Gall stellte den Antrag auf Freispruch für seine Mandatin.

Die Fünferkammer des Baselbieter Strafgerichts will ihr Urteil am kommenden Dienstag verkündigen.

Gutachter: Sterbewillige war nicht urteilsfähig

Die Anklage wirft der Ärztin mittelbare vorsätzliche Tötung vor, weil sie 2016 eine 67-jährige Sterbewillige ohne ausreichenden Beleg derer Urteilsfähigkeit in den Tod geschickt habe. Der Vorwurf basiert auf einem Gutachten von Professor Marc Graf, Direktor der Klinik für Forensik an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK).

Graf hatte die Sterbewillige rein aufgrund von Akten als nicht urteilsfähig eingeschätzt. Vor Gericht sagte er, sie sei psychisch krank gewesen, habe an einer Somatisierungsstörung gelitten. Sie habe wohl selber gemerkt, dass sie nicht mehr konnte, dies aber nicht wahrhaben wollen. So sei eine falsche Annahme hinter ihrem Sterbewunsch gestanden.

Depressions-Einschätzungen differieren

Die Somatisierungsstörung erkannte Graf als Hintergrund der starken Schmerzen, unter denen die Frau nach klaren, wiederholten eigenen Angaben lange litt. Diverse Behandlungen und Klinikaufenthalte, meist abgebrochen, sind dokumentiert.

Anhaltende Schmerzenklagen und ihren klaren Sterbenswunsch bestätigte ein Pfleger des Alters- und Pflegeheimes der Frau, der am Mittwoch als erster Zeuge befragt wurde. Dieser beschrieb sie als ausgesprochen autonom und nicht depressiv. Graf hingegen hatte ihr aus dem Akten-Gesamtbild eine schwere depressive Episode attestiert.

Zeugen befragt

Ein Psychiater, vom Heim wegen Essstörungen und Ängsten der Frau gerufen, hatte nach einem 20-minütigen Gespräch mit der Frau im Jahr 2015 nur eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert. Als zweiter Zeuge beschrieb er Gehstörungen und eine stockende Sprache und tippte ebenfalls auf eine Somatisierungsstörung - ihr Leidensdruck sei klar gewesen.

Preisigs Verteidiger schoss sich in der Folge auf das Gutachten ein. Mit zahlreichen Fragen versuchte er, Lücken in den zugrundeliegenden Akten aufzuzeigen, Zweifel an einem reinen Papiergutachten zu säen und Schlussfolgerungen zu hinterfragen. Zum Beispiel wies er auf teils unlesbare Handnotizen einer Hausärztin oder fehlende Dokumente hin.

Gutachter wehrt sich

Graf liess sich nicht beirren: Die Aktenlage sei für ihn ausreichend eindeutig gewesen. So hätten etwa mehrere Austrittsberichte «im Wesentlichen deckungsgleich» die Somatisierungsstörung diagnostiziert. Persönliche Befragungen seien erlässlich gewesen; er habe so auch die Videoaufnahme des Suizids nicht ansehen müssen. Zum entscheidenden Gesamtbild hätten verschiedene Elemente beigetragen. So sei etwa das Nicht-zur-Last-Fallen-Wollen bezüglich ihres Sohnes ein wichtiges Indiz für eine schwere depressive Episode.

Da kein Psychiater jener Frau das für eine legale Sterbebegleitung nötige Urteilsfähigkeits-Gutachten ausgestellt hatte, hatte Preisig einen eigenen ärztlichen Bericht geschrieben und als Zweitmeinung einen Bericht eines Hausarztes eingeholt. Dessen zwei Seiten nannte Graf nun aber «ergebnisorientiert» und «schon rein formell völlig ungenügend».

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3 Kommentare

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  • Kommentar von Urs Petermann  (Rhf)
    Woher nehmen die Staatsanwältin und der von ihr beauftragte Gutachter eigentlich das Recht her, die ihnen unbekannte Verstorbene als psychisch kranke Frau hinzustellen?
  • Kommentar von martin blättler  (bruggegumper)
    Man muss sich endlich von der Vorstellung verabschieden,
    dass Leben ein göttliches Geschenk sein soll und nur
    von dieser Stelle beendet werden darf.Ein Mensch soll ein
    freies Individuum sein,ohne sich Besitzansprüche anderer
    gefallen lassen zu müssen.Dazu gehört auch das Recht,seinen
    Todeszeitpunkt selbst zu wählen,und da haben selbst Angehörige
    nicht dreinzureden.Religiöse Kreise sollen erst recht schweigen,
    nachdem diese sogar Weltkriege gutgeheissen haben.
  • Kommentar von Franziska Beetschen  (Himbeeri)
    „Sie beklagte zwar Schmerzen, für die es aber meist keinen Befund gab. Mit der Diagnose «somatische Störungen», wollte sich die Patientin nie abfinden. Sie beklagte etwa «Brennen bis unter die Scheitel, weil ihrer saurer Magen aufstosse». Tatsächlich aber konnte kein Säureaufstoss festgestellt werden. Und bald verweigerte sie die dazu verordnete Medikamente.“

    Hätte sich die Frau denn vom Balkon stürzen sollen, nur weil die Wissenschaft zwar Medikamente (?), aber noch keine Erklärung hat?