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Interview mit Thomas Burri (10.10.2017)
Aus Regi GR vom 10.10.2017.
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Fremdsprachen-Initiative Darf die Mehrheit der Minderheit eine Fremdsprache aufzwingen?

Nur noch eine Fremdsprache in der Primarschule: Das fordert die umstrittene Fremdsprachen-Initiative. Auch das Bundesgericht hat sich damit beschäftigt und entschieden, dass darüber abgestimmt werden darf. Kritik kommt von Jurist Thomas Burri. Er sagt, die Initiative unterdrücke Minderheiten.

Thomas Burri ist Assistenzprofessor für Völkerrecht und Europarecht an der Universität St. Gallen. In einem längeren Artikel in der Fachzeitschrift «sui generis» (siehe unten) diskutiert und kritisiert er die Bündner Fremdsprachen-Initiative.

SRF News: Thomas Burri, Diskussionen um die Frage, welche Fremdsprachen Kinder in der Primarschule lernen sollen, gibt es in allen Kantonen. Sie sagen aber, die Dreisprachigkeit mache die Situation in Graubünden besonders kompliziert. Was macht das Ganze denn so kompliziert?

Thomas Burri: Sie sagen es, es ist die Dreisprachigkeit. Auf Rätoromanen und Italienischsprachige hat diese Initiative ganz andere und unmittelbare Auswirkungen.

Die Initiative

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Die Fremdsprachen-Initiative in Graubünden fordert, dass Primarschülerinnen und Primarschüler nur noch eine Fremdsprache lernen. Ein Ja hätte den Effekt, dass Kinder in den deutschprachigen Gebieten Englisch, alle anderen Deutsch lernen würden.

Rätoromanen und italienischsprachige Kinder müssen bei einem Ja zur Initiative als Fremdsprache in der Primarschule Deutsch lernen. Sie schreiben, damit würden Minderheiten unterdrückt. Wie meinen Sie das?

Idealerweise wäre es aus meiner Sicht so, dass die Minderheiten diese Fragen selbst bestimmen können. Sie können sich dafür entscheiden, nur Deutsch zu lernen. Vielleicht würden sie aber auch Englisch unterrichten und lernen wollen.

Würde das bedeuten, dass man eine Abstimmung speziell für eine Sprachengruppe macht?

Eine Abstimmung wäre ein möglicher Weg. Wichtig ist, dass die Minderheiten ihren Willen zum Ausdruck bringen und den dann auch umsetzen können. Hier entscheidet die Mehrheit für die Minderheit.

Interessant fand ich bei Ihren Überlegungen, dass sie weniger Mühe damit haben, wenn die deutschsprachigen Kinder zuerst Englisch lernen und erst dann eine zweite Kantonssprache. Sie denken also, dass sich die Mehrheit weigern kann, die Sprache der Minderheit zu lernen…

Das ist eine moralische Frage und ich glaube, grundsätzlich darf die Mehrheit das. Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist. Aber die Entscheidung kann man so fällen. Problematisch wird es, wenn die Deutschsprachigen sich weigern, Italienisch zu lernen, umgekehrt aber den Italienischsprachigen befiehlt, Deutsch zu lernen.

Im Kern geht es in Ihrem Text auch darum, wie gut oder schlecht Minderheiten in der Schweiz geschützt sind. Sie kommen zum Schluss, dass wir eine «Schönwetter-Verfassung» haben. Weshalb dieser Ausdruck?

Der Ausdruck bezieht sich darauf, dass Bundes- und Kantonsverfassungen keine Regelungen für Minderheiten enthalten. Man geht davon aus, dass die Positionen implizit geregelt werden. Das wird ein Problem, wenn das schöne Wetter vorbei ist. Solange Toleranz herrscht, ist alles in Ordnung. Wenn Druck erzeugt wird, und ich glaube, das ist bei dieser Initiative der Fall, sind die Minderheiten nicht von der Verfassung geschützt.

Das Gespräch führte Stefanie Hablützel.

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