Zum Inhalt springen

Header

Audio
«Wenn mir Freunde nicht helfen würden, müsste ich wahrscheinlich Konkurs erklären.»
Aus Regionaljournal Graubünden vom 12.03.2019. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 39 Sekunden.
Inhalt

Trotz zusätzlicher Stelle Das Bündner Kantonsgericht sitzt auf einem Pendenzenberg

Was Betroffene ärgert, macht dem Gericht Sorgen. Die Zahl hängiger Fälle wurde trotz zusätzlichem Richter nicht kleiner.

Es war ein Meilenstein für das Bündner Kantonsgericht. Seit Anfang 2017 arbeiten am Kantonsgericht sechs Richter und Richterinnen, zuvor waren es fünf. Erklärtes Ziel dieser Aufstockung war, die Zahl der hängigen Fälle zu reduzieren. Das ist bisher nicht gelungen.

Legende:
Kantonsgericht Graubünden - Entwicklung der pendenten Fälle per Ende Jahr

Teilweise müssen Betroffene noch immer jahrelang auf einen Entscheid warten, das zeigt der Blick in die Statistik. «Die stetige Zunahme der Pendenzen in den letzten Jahren bereitet dem Kantonsgericht Sorgen», schreibt Gerichtspräsident Norbert Brunner auf Anfrage.

Die aktuellsten Zahlen stammen von Ende 2017. Damals waren 267 Fälle pendent – fast gleich viel wie im Vorjahr, als 270 Fälle hängig waren. Trotz eines neuen Richters wurde der Pendenzenberg also nicht abgetragen.

«Das ist unhaltbar»

Markus Blechner aus Flims steckt mitten in einer Scheidung. Sein Fall ist einer auf dem Pendenzenberg. Der 77-Jährige streitet mit seiner Ex-Frau um Geld. Es gehe um mehrere 100'000 Franken. Seit bald zweieinhalb Jahren soll das Kantonsgericht klären, wer wieviel davon bekommt.

Wir sind nun zuversichtlich, dass unsere Pechsträhne im neuen Jahr ein Ende findet.
Autor: Norbert BrunnerPräsident Kantonsgericht Graubünden

Für den Pensionär hat das lange Warten finanzielle Folgen: «Wenn mir Freunde nicht helfen würden mich über Wasser zu halten, müsste ich wahrscheinlich Konkurs erklären». Er beziehe eine AHV und sei auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Es gehe nicht vorwärts, sagt Blechner: «Das ist unhaltbar».

Porträt eines Mannes, im Hintergrund Strasse und Häuser
Legende: Markus Blechner (77) wartet seit November 2016 auf einen Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden. SRF

Ende 2016 reichte Markus Blechner seine Berufung beim Kantonsgericht ein, weil er mit dem Entscheid des Regionalgerichts nicht einverstanden war. Über ein Jahr später, im Frühling 2018, klopfte sein Anwalt beim Kantonsgericht an und wollte wissen, bis wann das Urteil zu erwarten sei.

Fall blieb über ein Jahr liegen

Es werde wohl die zweite Hälfte des laufenden Jahres, schreibt die zuständige Richterin. «Ich bedauere die Verzögerung ausserordentlich». Sie sei wegen eines Skiunfalls länger ausgefallen.

«Zugunsten des Abbaus zahlreicher älterer Pendenzen musste ich daher die Bearbeitung der neu eingegangenen Fälle zurückstellen», schrieb die Richterin weiter. Die zeitlichen Angaben des Kantonsgerichts zum Fall bestätigen, dass der Fall von Markus Blechner über ein Jahr liegen blieb. Zwei Monate nach dem Brief des Anwalts übernahm ein neuer Richter den Fall.

«Strukturelle und persönliche Gründe»

Präsident des Bündner Kantonsgerichts ist Norbert Brunner. Die Zahl der hängigen Fälle habe wegen «strukturellen und persönlichen Gründen» nicht abgenommen, erklärt er in einer ausführlichen Stellungnahme. Der Skiunfall der Richterin sei einer dieser persönlichen Gründe. Dann sei eine Gerichtsschreiberin während eines Jahres ausgefallen. Dazu kamen mehrere Wechsel, «welche immer wieder einen Erfahrungsverlust verursachten».

Der Kanton Graubünden muss dafür sorgen, dass genügend Richter angestellt sind.
Autor: Markus BlechnerBetroffener

Für den Gerichtspräsidenten ist es strukturell problematisch, dass Verfahren grundsätzlich aufwändiger seien als früher. Seit ein paar Jahren müsse das Kantonsgericht unter anderem jedes Urteil schriftlich begründen. Hinzu kämen neue Aufgaben. So müsse das Gericht alle Beschwerden beim Kinder- und Erwachsenenschutz beurteilen. Genau deshalb habe das Kantonsgericht beim Grossen Rat eine zusätzliche Richterstelle beantragt.

Mehr Richter, weniger hängige Fälle?

Bei der Frage, ob das Kantonsgericht zusätzliche Richter und Richterinnen benötigt, winkt Brunner ab. Die heutige Zahl der Stellen sollte bei einem Normalbetrieb reichen, lautet seine Einschätzung. Und: «Wir sind nun zuversichtlich, dass unsere Pechsträhne im neuen Jahr ein Ende findet und wir einen Weg finden, die Verfahrensdauer und die Pendenzen zu verringern».

«Es war immer wieder ein Thema»

Box aufklappenBox zuklappen

Der Pendenzenberg bschäftigt auch die Bündner Politik. Der Grosse Rat hat die Aufsicht über das Bündner Kantonsgericht. Ilario Bondolfi (CVP) ist Präsident der Kommission für Justiz und Sicherheit und äussert sich im Interview zu den zahlreichen hängigen Fällen und wieso Teilzeitstellen eine Verbesserung bringen könnten.

Es sei in der heutigen Zeit eine Zumutung, sagt auf der anderen Seite der heute 77-jährige Markus Blechner: «Der Kanton Graubünden muss dafür sorgen, dass genügend Richter angestellt sind, damit die Fälle speditiv abgearbeitet werden».

Für Blechner könnte das Warten bald ein Ende haben. Gerichtspräsident Norbert Brunner hat gegenüber dem Regionaljournal angekündigt, dass dessen Entscheid noch diesen Monat versendet werde.

SRF 1, Regionaljournal Graubünden, 06:32 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel