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Dirk Helbing untersucht, wie ein Stau entsteht.
Aus Regionaljournal Ostschweiz vom 20.04.2019. Bild: Keystone
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Stauforscher Dirk Helbing «Manchmal kann man früher ankommen, wenn man später losfährt»

Der ETH-Professor Dirk Helbing ist Zukunftsforscher. Er untersucht Verkehrsflüsse und entwickelt Lösungen, damit der Verkehr nicht staut.

Dirk Helbing

Dirk Helbing

Professor ETH Zürich, Zukunftsforscher

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Dirk Helbing wurde 1965 in Aalen, Deutschland geboren. Er ist promovierter Physiker. Seit 2007 ist Helbing Professor für Computational Social Science am Department für Geistes-, Sozial- und Politikwissenschaften sowie Mitglied des Informatikdepartments der ETH Zürich. Er ist Zukunftsforscher und beschäftigt sich mit Verkehrsflüssen und deren Optimierung.

SRF News: Was für verschiedene Stauphänomene gibt es auf der Autobahn?

Dirk Helbing: Es gibt einerseits den Stop-and-Go-Verkehr und andererseits den kriechenden Verkehr: Der kriechende Verkehr hat nichts Gutes zu bedeuten. Der Stop-and-Go-Verkehr entsteht meistens dann, wenn die Tachonadel unter 85 km/h fällt. Dann muss man erwarten, dass der Verkehr instabil wird. Der Stau ist dann aber nicht ganz so schlimm wie im ersten Fall.

Der Verkehrsstau ist ja eher ein junges Phänomen. Seit wann gibt es Verkehrstaus in der Schweiz?

Das Thema hängt natürlich mit der Industrialisierung zusammen. Die Arbeiter mussten zu den Fabriken gelangen. Man hat aber über die Jahre systematisch unterschätzt, wie viele Fahrzeughalter es einmal geben wird. Folglich ist die Infrastruktur immer wieder an die Grenzen gestossen. Interessant ist aber, dass Staus nicht nur ein Überlastungsphänomen sind.

Abgesehen von Staus, die aus einer Überlastung entstehen: Weiss man, warum Staus entstehen?

In der Tat kann man sagen, dass das Phänomen Stau sehr gut verstanden wird, obwohl es sich um ein sehr komplexes Phänomen handelt, das von keinem beabsichtigt wird, aber trotzdem entsteht. Und zwar durch sogenannte systemische Instabilität. Das können kleine Störungen im Verkehrssystem sein, wie das Überholmanöver eines Lastwagens. Ein Fahrzeug bremst, das nächste bremst ein wenig stärker, um einen Unfall zu vermeiden und am Ende stehen die Fahrzeuge, obwohl das niemand möchte.

Es entsteht ein sogenannter Bumerangeffekt, bei dem sich eine Vorwärtsbewegung in eine Rückwärtsbewegung verwandelt.
Autor: Dirk Helbing ETH-Professor und Stauforscher

Dann haben wir eine Situation, bei der Fahrzeuge aus dem Stau vorne hinaus fahren und hinten neue Fahrzeuge hineinfahren. Insgesamt bewegt sich der Stau dann rückwärts. Bei der Entstehung des Staus bewegte sich der Fahrzeugpulk noch vorwärts. Es entsteht aber ein sogenannter Bumerangeffekt, bei dem sich eine Vorwärtsbewegung in eine Rückwärtsbewegung verwandelt. Und dieser Bumerangeffekt wird oft durch überholende Lastwagen ausgelöst.

Es hängt aber sehr viel davon ab, wie viel Autos von einer Autobahn hinunter fahren und wie viele auf die Autobahn hinauffahren. All das bestimmt letztlich die Art des Staus.

Portrait eines Mannes
Legende: «Manchmal kann man früher ankommen, wenn man später los fährt», erklärt Dirk Helbing. en.wikipedia.org / Jannick Timm

Das Interessante ist nämlich, dass genau wenn man die Strassenkapazität am meisten braucht, die Kapazität in sich zusammenbricht. Das heisst, die gleiche Strasse, die vorher mehr Fahrzeuge transportieren kann - vielleicht 2000 Fahrzeuge pro Stunde - kann dann plötzlich nur noch 1800 Fahrzeuge pro Stunde verkraften. Das ist ein schmerzlicher Verlust und der macht sich dann bemerkbar durch drastisch erhöhte Fahrzeiten. Manchmal kann man früher ankommen, wenn man später los fährt.

Was sind denn konkret die Ursachen der Osterstaus?

Da kann man mit Sicherheit sagen, dass die Verkehrskapazität nicht ausreicht, das heisst, es gibt nicht genügend Spuren für diese Exterembelastung.

Kann man dieses Phänomen nur mit mehr Strassen lösen?

Die Frage ist natürlich, ob man das ganze Land zubetonieren möchte für diese wenigen Ferientage, an denen alle sich sozusagen ins Auto setzen.

Das Gespräch führte Peter Schürmann.

SRF 1, Regionaljournal Ostschweiz, 17:30 Uhr; schüp/kobk

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