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Ein Kompetenzzentrum für Afrika
Aus Regionaljournal Ostschweiz vom 15.01.2020. Bild: Universität St.Gallen
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Zentrum für Afrikaforschung «An der Schnittstelle von Wirtschaft, Ethik und Politik»

Die Universität St.Gallen, die HSG, eröffnet in diesen Tagen ein Kompetenzzentrum für Afrikaforschung. Das Zentrum soll die Kompetenzen der HSG bündeln und fundierte, wissenschaftliche Entscheidungsgrundlagen für Politik, Wirtschaft und NGOs liefern. Initiator dieses «Competence Center for African Research» ist der Wirtschaftsethiker Florian Wettstein.

SRF News: Florian Wettstein, bereits heute arbeitet das St.Galler Institut für Wirtschaftsethik mit Wissenschaftlern aus Kamerun zusammen, weitere Partnerschaften mit Ghana und Äthiopien werden aktuell lanciert. Weshalb braucht es an der Universität St.Gallen gleich ein Kompetenzzentrum für Afrikaforschung?

Florian Wettstein: Auf der einen Seite geht es darum, die Universität auch strategisch zu positionieren. In Afrika ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen, und die Entwicklung wird rasant weitergehen. Die Universität tut gut daran, jetzt einen systematischen Fokus auf Afrika aufzubauen. Andererseits haben wir bereits eine ganze Menge Forschende an der Uni, die sich mit Afrika auseinandersetzen. Das Kompetenzzentrum kann ihnen ein institutionelles Gefäss für ihre Forschung geben und sie in verschiedener Hinsicht bei ihrer Forschung unterstützen.

Auch an der Universität Basel gibt es ein Center for African Studies - wie unterscheiden Sie sich von diesem Zentrum?

Unsere Forschung soll auf die Kompetenzen an der HSG abstellen und bewegt sich damit v. a. im Schnittbereich von Wirtschaft, Ethik und Politik. Sie kann auch stark praxis- oder policy-orientiert sein. Wir decken also nicht die ganze Bandbreite der klassischen African Studies ab und bewegen uns wohl eher ausserhalb derselben. Gewisse Überschneidungen gibt es aber sicher, was auch Räume für die Zusammenarbeit öffnet.

Florian Wettstein, 1 Milliarde Menschen leben in den 54 verschiedenen Staaten Afrikas. Die Wirtschaft wächst zwar auch in Afrika - aber mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Politische Unruhen und Armut bremsen dieses Wachstum immer wieder. Das Kompetenzzentrum für Afrikaforschung will mit Partneruniversitäten in Afrika Entscheidgrundlagen für Politik und Wirtschaft erarbeiten. Was muss man sich da konkret darunter vorstellen?

Ganz grundsätzlich geht es uns darum, Forschung zu betreiben oder möglich zu machen, die nicht nur hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, sondern irgendwo eine Relevanz für das Leben der Menschen, die Wirtschaft oder die Politik hat. Solche Forschung hat unserer Meinung aber weniger einfach mit Wirtschaftswachstum zu tun, als mit Nachhaltigkeit, Verantwortung und politischer Selbstbestimmung. Das sind für uns zentrale Querschnittsthemen, die unsere Forschung auch prägen sollen.

Für die armen Länder Afrikas ist die Entwicklungspolitik ein wichtiges Thema. Aus Sicht der Wirtschaft gibt es hier unterschiedliche Haltungen. Auf der einen Seite die Entwicklungshilfe, die mit Hilfsgeldern die Armut bekämpfen will. Auf der anderen Seite gibt es Vertreter, die auf Selbsthilfe setzen und die Bildung fördern wollen - wie etwa Esther Duflo vom MIT, die im vergangenen Jahr mit dem Wirtschafts-Nobelpreis geehrt wurde. Florian Wettstein, Sie haben selbst am MIT geforscht, was wird der St.Galler Weg sein?

Ich sehe darin eigentlich keinen Gegensatz. Es sollte auch das Ziel und Bestreben richtig verstandener Entwicklungshilfe sein, eine selbstbestimmte, autonome Entwicklung dieser Länder und deren lokalen Bevölkerungen zu unterstützen und zu ermöglichen. Das ist auch der Ansatz, der uns antreibt und zwar sowohl von den Inhalten her, als auch vom Wesen unserer Forschung: Wir wollen nicht quasi über Afrika forschen, sondern zusammen mit afrikanischen Partnern interessante und relevante Forschung und Lehre machen.

Europas wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika ist zurückhaltend. Anders China, die einen intensiven Handel mit Afrika pflegt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Land-Grabbing und einer neuen Form von Kolonialismus. Was wird Ihr Beitrag sein zu solchen Fragen?

Solche Themen sind bei uns natürlich auf dem Radar. Es ist aber noch zu früh zu sagen, was unser Beitrag hier sein wird – wo denn unsere konkreten Forschungsfelder zu liegen kommen, das hängt ja immer von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Von den Forschungspartnern zum Beispiel oder welche Themen letztlich den Zuschlag von wissenschaftlichen Förderinstitutionen erhalten.

Florian Wettstein, Sie sind nicht nur Wirtschaftsethiker sondern auch Spezialist für Menschenrechtsfragen. Ein wichtiges Thema auch für Afrika. Welchen Fokus setzen Sie hier?

Wir haben, wie sie sagen, viel zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte geforscht. Hier war und ist auch der Schweizer Rohstoffhandel immer wieder ein Thema. Das wird auch für das neue Center ein wichtiger Fokus. Das Center gibt uns nun die Möglichkeit, einen regionalen Fokus zu vertiefen, wenn es darum geht, die Auswirkungen von neuen Policy Instrumenten zu erforschen oder Ansätze der Lieferkettengovernance. Da gibt es ganz viele Themen. Wichtig ist zu erwähnen, dass viele Verletzungen von Menschenrechten durch globale Firmen im globalen Süden stattfinden, während der Diskurs dazu sehr stark durch den Norden geprägt ist. Unser Bestreben ist es auch, diesen Diskurs zu öffnen. Dazu haben findet im März bereits eine internationale Konferenz zu Wirtschaft und Menschenrechten in Yaoundé, Kamerun, statt.

Wie kann sich das Kompetenzzentrum für Afrikaforschung aus der reichen Schweiz im fernen Afrika einbringen, sich Gehör verschaffen - so, dass das St.Galler Zentrum als Partner ernst genommen wird?

Es geht uns nicht darum, uns Gehör zu verschaffen, sondern darum, langfristige, gleichberechtigte Partnerschaften in Forschung und Lehre aufzubauen. Das kann nur über den Aufbau vertrauensbasierter Beziehungen geschehen. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Momentan haben wir z.B. für 7 Monate eine Gastwissenschaftlerin aus Äthiopien bei uns. Deshalb ist auch unsere enge Zusammenarbeit mit Yaoundé zentral. Diese gab uns auch überhaupt erst die Möglichkeit, ein solches Center basierend auf dieser Vision zu gründen.

Das Gespräch führte Michael Breu.

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