Linus Schöpfer kennt sich mit der Geschichte des Schwingens aus. In seinem Buch «Schwere Kerle rollen besser» hat er sie detailliert aufgearbeitet. Der Kulturredaktor des Tages-Anzeigers ist in Escholzmatt aufgewachsen. Damals habe das Schwingen noch nicht so grosse Bedeutung gehabt wie heute, auch für ihn persönlich nicht, erinnert sich der 34-Jährige.
Erst viel später hat er sich mit damit auseinandergesetzt. Dass Schwingen zu einem derart populären Sport geworden ist, fasziniere ihn als Historiker.
350'000 Leute, die sich einen Ringkampf anschauen: Das wirkt wie ein totaler Anachronismus.
Schöpfer hält fest: «Der Sport, wie wir ihn heute kennen, ist eine moderne Erfindung.» Wann genau die Schweizer Ausprägung des Ringens entstanden ist, sei historisch zwar nicht genau zu belegen. Gesichert sei aber, dass das Schwingen etwa «im 19. Jahrhundert entstanden und erst im 20. Jahrhundert so richtig etabliert worden» sei.
Die ersten schriftlichen Dokumente zum heutigen Schwingen seien von «Pfarrer Stalder aus Escholzmatt, der kurz vor 1800 als erster die Schwünge dokumentiert hat», hat Linus Schöpfer herausgefunden. «Ab dann kann man sagen: Schwingen ist eine Schweizer Eigenart. Für die Zeit vorher ist man als Historiker auf wackeligem Boden.»
«John Lemm, the Swiss Hercules»
Aus traditionsbewussten Schwingerkreisen ist häufig der Vorwurf zu hören, der Schwingsport werde heute immer mehr vom Kommerz eingenommen. Linus Schöpfer hält dagegen: Der Kommerz sei kein neues Phänomen. Es habe auch schon vor hundert Jahren Schwinger gegeben, die aus ihren Fähigkeiten Profit ziehen wollten. «Zum Beispiel der Bündner Schwinger Johannes Lemm, der sich <John Lemm, the Swiss Hercules> nannte. Lemm ging als Wrestler nach Amerika und England und kämpfte dort sehr erfolgreich.»