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Gewebezucht im All
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 28.04.2020.
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Uni Zürich im Weltall «Der untere Orbit gehört für mich zur Erde»

Wer Gewebe aus menschlichen Stammzellen züchtet, muss die Schwerkraft austricksen. Denn in der Schwerkraft organisiert sich Gewebe nicht spontan. Damit es dreidimensional wächst, braucht es winzige künstliche Gerüste. Das ist aufwändig und teuer. Oliver Ullrich, Anatomieprofessor an der Universität Zürich, geht deshalb einen anderen Weg: Er lässt das Gewebe in der Schwerelosigkeit entstehen.

Nur gibt es die auf der Erde leider nicht. Also muss Ullrich ins Weltall ausweichen. So buchte er für den 6. März zusammen mit Projektpartnerin Airbus Defence and Space einen Transportflug zur internationalen Raumstation ISS – nicht für sich, sondern für 250 Teströhrchen mit menschlichen Stammzellen. Einen Monat lang umkreisten diese in 400 Kilometern Höhe die Erde, lange genug, damit daraus Gewebe wachsen kann.

Sanfte Landung im Pazifik

Kurz vor Ostern landete die Raumkapsel mit der wertvollen Fracht sanft und sicher vor der kalifornischen Küste im Pazifik. «Mir fiel ein grosser, grosser Stein vom Herzen», so Ullrich. Obwohl die Sache mit der Landung allein freilich noch lange nicht zu Ende war: Erst wenn die Röhrchen in Zürich angelangt, die Proben ausgewert und die Resultate zufriedenstellend sind, wird Ullrich aufatmen können.

Bis dahin dauert es noch. Denn wegen der Corona-Krise können die Röhrchen zurzeit nicht interkontinental reisen. Die Lage ist zu unsicher. Immerhin: Zwei Mitarbeitende aus Ullrichs Forschungsteam konnten die Röhrchen in den USA in Empfag nehmen und einen ersten Blick hineinwerfen. Und tatsächlich: Die Zellen waren zu richtigen Gewebeklumpen angewachsen, kompakter und grösser als jene aus herkömmlichen Labors.

Gewebetests statt Tierversuche

Mit gezüchtetem Gewebe lassen sich beispielsweise Medikamente klinisch testen, die zurzeit noch an Tieren erprobt werden. «Das könnte einen Grossteil von Tierexperimenten ziemlich gut ersetzen», sagt Ullrich. «Die Tests sind sogar viel besser, denn wir testen direkt mit menschlichem Gewebe.» Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Gewebe in grossem Umfang zur Verfügung steht.

Deshalb will Oliver Ullrich seine Methode kommerziell nutzen. Als Direktor des Space Hub der Universität Zürich sitzt er dafür an den richtigen Hebeln. Der UZH Space Hub – im Nationalen Innovationspark beim Flugplatz Dübendorf angesiedelt – ist eine Innovationsplattform; hier arbeiten Forschende eng mit Vertretern der Industrie zusammen. So will Ullrich denn Investoren finden, die bereit sind, Gewebezucht in der Schwerelosigkeit als Geschäft aufzuziehen.

Strecke Zürich-Genf, nur senkrecht

Alles nur Science Fiction? Keineswegs, meint Anatomieprofessor Oliver Ullrich. Für ihn gehört der untere Orbit, in welchem sich die Raumstation ISS bewegt, nicht zum Reich der Planeten und Sterne. «Wir reden nicht vom Outer Space, wir sind vor unserer Haustür. Wir sind einfach 300 bis 400 Kilometer über der Erdoberfläche. Das ist für mich Erde.» Genf sei von Zürich ja auch nicht weiter entfernt.

Ein Retourticket zur Raumstation kostet rund 5000 Franken pro Kilogramm Nutzlast. In einem Kilo finden viele Zellproben Platz. Ullrich schätzt, dass die Gewebezucht im All günstiger ausfallen könnte als in erdgebundenen Labors. Bereits bereiten er und sein Team den nächsten Flug vor: Ende 2021 will Ullrich testen, ob sich Gewebe auf der ISS auch im grossen Stil züchten lässt.

Oliver Ullrich: «Das Ziel ist es schon, die internationale Raumstation, an der alle Nationen der Welt gemeinsam gebaut haben, vielleicht einmal als Ort der Produktion zu nutzen – für Dinge, die man auf der Erde nicht ohne weiteres herstellen kann. Das ist eine Vision, aber keine allzu ferne. Denn ich halte das technologisch für machbar.»

SRF 1, Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 28.04.2020; 17.30 Uhr;

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