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«Es findet sich kein einziger Hinweis, der auch nur ansatzweise auf eine Absicht hindeuten würde.»
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 31.03.2019. Bild: Keystone Archiv
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Wochengast Matthias Wipf «Jeder kennt jemanden, der von der Bombardierung betroffen war»

Am 1. April 1944 heulte der Fliegeralarm in Schaffhausen. Doch die Sirenen wurden nicht Ernst genommen. Ein fataler Irrtum.

Zum 75. Mal jähren sich die Bombenangriffe auf die Stadt Schaffhausen während dem zweiten Weltkrieg. Amerikanische Fliegerpiloten hatten am 1. April 1944 die Orientierung verloren und warfen versehentlich ihre Fracht auf das Städtchen nördlich des Rheins ab. 40 Personen kamen ums Leben, gegen 300 weitere Personen wurden verletzt.

Anlässlich des Jahrestags erscheint am Montag das Buch «Die Bombardierung von Schaffhausen – ein tragischer Irrtum» des Historikers und gebürtigen Schaffhausers Matthias Wipf.

Matthias Wipf

Matthias Wipf

Historiker und Publizist

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Der 1972 in Schaffhausen geborene Matthias Wipf hat zeitgenössische Geschichte, Politologie und Medienwissenschaften an den Universitären Bern und Freiburg studiert und ist heute selbständiger Kommunikationsberater. Anlässlich des 75. Jahrestages der Bombardierung von Schaffhausen erscheint sein Buch: «Die Bombardierung von Schaffhausen – ein tragischer Irrtum». Bereits davor hatte er sich intensiv mit der Geschichte der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs befasst.

SRF News: Weshalb hat die Bombardierung von Schaffhausen am 1. April 1944 heute, nach 75 Jahren, noch immer eine solch grosse Bedeutung?

Matthias Wipf: Das ist effektiv so. Einerseits gibt es noch letzte Zeitzeugen, andererseits ist es ein Thema, das wirklich alle Generationen gleichermassen interessiert. Ich erhalte beispielsweise immer noch regelmässig Anfragen von Maturanden aus der ganzen Deutschschweiz, die mehr über das Thema wissen möchten.

In Schaffhausen ist es ausserdem so, dass fast jeder irgendjemanden kennt, der von der Bombardierung betroffen war, sei es, weil ein Angehöriger dabei ums Leben kam oder verletzt wurde. Ausserdem habe ich generell den Eindruck, dass Lokalgeschichte zunehmend interessiert.

Sie haben sich schwerpunktmässig mit der Geschichte des zweiten Weltkriegs befasst, besonders mit Blick auf die Schweiz und Schaffhausen. Kam der Bombenangriff vor 75 Jahren wirklich völlig unerwartet?

Man muss wissen, dass es damals in den Kriegsjahren alleine in der Region Schaffhausen 544 Fliegeralarme gegeben hatte. Irgendwann gewöhnten sich die Leute also daran und suchten nicht jedes Mal den Luftschutzkeller auf. Auch die Behörden hatten die Bestimmungen gelockert, wie sich die Bevölkerung bei solchen Fliegeralarmen zu verhalten hatten. Und es wurde schon fast zu einem Schauspiel, wenn wieder ein Fliegeralarm kam. Die Leute gingen auf die Strasse um zu schauen, ob sie erkennen konnten, welche Flieger gerade über sie hinweg zogen.

Das war am 1. April 1944 also nicht anders, als die Sirenen erneut geheult hatten?

Ja, das war an diesem Tag auch so. Viele Menschen gingen auf die Strasse oder ans Fenster und man geht heute davon aus, dass es rund ein Drittel weniger Opfer gegeben hätte, wenn sich die Menschen in Sicherheit gebracht hätten.

Nach dem Angriff hiess es schnell, die Bombardierung sei ein fataler Irrtum gewesen. Trotzdem gibt es bis heute auch Stimmen, die vermuten, es könnte auch eine Absicht gegeben haben. Woher kommt das?

Ich werde tatsächlich immer wieder mit dieser Meinung konfrontiert. Dabei handelte es sich um Nazi-Propaganda, die uns weismachen wollte, dass die «bösen Amerikaner» neutrale Länder bombardieren würden. Für etwas Irritation sorgte auch, dass die Amerikaner in ihrem Communiqué schlechtes Wetter für den Irrtum verantwortlich machten, dabei hatte es gerade über Schaffhausen ein Loch in den Wolken, ansonsten waren die Wetterverhältnisse über dem ganzen Kontinent aber miserabel.

Es findet sich kein einziger Hinweis, der auf eine Absicht hindeuten würde.

Heute muss man sagen, die Indizien sind erdrückend klar. In allen Akten, seien es britische, amerikanische oder auch in Schweizer Archiven, findet sich kein einziger Hinweis, der auch nur ansatzsweise auf eine Absicht hindeuten würden.

Das Gespräch mit Matthias Wipf führte Roger Steinemann.

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