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Wohnungsnot in der Schweiz Die Romands bauen an einer sozialeren Zukunft

Quoten für günstige Wohnungen, Anreize für verdichtetes Bauen: Zeigt uns das Welschland, wie moderne Wohnpolitik geht?

  • Mit günstigen Wohnungen und Anreizen für verdichtetes Bauen will man in der Romandie der Wohnungsnot entgegenwirken.
  • Der Kanton Waadt hat am vergangenen Wochenende auch ein Vorkaufsrecht für den Staat angenommen.
  • Über den brisanten Vorschlag wird bald auch die Deutschschweiz befinden.

Im Kanton Waadt leiden inzwischen 60 Gemeinden unter der Wohnungsnot. Das Problem hat den ganzen Genferseebogen erfasst und langsam macht sich Unmut breit.

So sehr, dass auch die bürgerlichen Waadtländer radikalen Ideen zustimmen. Am Sonntag hat die Waadt ein neues Raumplanungsgesetz angenommen, das Immobilienfirmen und Hauseigentümer für ungeniessbar halten.

Nationalrat Olivier Feller
Legende: Nationalrat Feller versteht die Sorgen der Waadtländer – die Massnahmen gegen die Wohnungsnot hält er für falsch. Keystone

Teure Wohnungen, frustrierte Mieter

Olivier Feller, Waadtänder FDP-Nationalrat und Präsident des kantonalen Hauseigentümerverbandes meint: «Das grosse Problem im Kanton Waadt ist, dass es die Wohnungsnot seit Jahren gibt. Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen einfach genug von der Wohnungsnot in den grossen Städten haben.»

Der Abstimmungskampf war hitzig. Umstritten war dabei vor allem das Vorkaufsrecht. Gemeinden sollen den gemeinnützigen Wohnungsbau voranbringen und dazu ein Vorkaufsrecht für Immobiliengeschäfte bekommen.

Das bedeutet: Wenn Bauland oder eine Liegenschaft verkauft wird, hat die Gemeinde das Recht, sich die Immobilie zum Marktpreis zu sichern. Die Verkäufer können nicht mehr völlig frei entscheiden, wem sie den Zuschlag geben.

Ein Waadtländer Bürokratiemonster?

Für den Hauseigentümerverband ist das ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit. Ausserdem fürchtet Feller die Meldepflicht: «Dafür muss natürlich ein grosser administrativer Mechanismus auf die Beine gestellt werden.» Fellers Einwände waren vergeblich. Die Waadtländer entschieden sich am Sonntag mit 56 Prozent Ja-Stimmen für das Vorkaufsrecht.

Gewonnen hat die Abstimmung der Mieterverband. Dessen Generalsekretärin Anne Baehler sagt: «Ohne Vorkaufsrecht können die Gemeinden den günstigen Wohnungsbau nicht voranbringen.»

Wir haben in der Westschweiz vielleicht einen gewissen Einfluss aus Frankreich. Dort sind die Eigentümer bekanntlich schlecht geschützt.
Autor: Olivier Feller Präsident des Waadtländer Hauseigentümerverbandes

Der Mieterverband hatte ursprünglich sogar das Recht auf Enteignung verlangt, so wie es heute für Infrastrukturprojekte wie Autobahnen gegeben ist. Das Vorkaufsrecht ist da vergleichsweise sanft. Das sei kein Wundermittel, aber wenn jahrelang Wohnungsnot herrsche, dann sei das Vorkaufsrecht ein nützliches und pragmatisches Instrument, meint Baehler.

Feller dagegen beobachtet die Entwicklung mit Sorge: «Wir haben in der Westschweiz vielleicht einen gewissen Einfluss aus Frankreich. Dort sind die Eigentümer bekanntlich schlecht geschützt.»

Für alle Kantone, in denen ebenfalls Wohnungsnot herrscht, ist die Zustimmung in der Waadt ein sehr positives Signal
Autor: Anne Baehler Generalsekretärin des Waadtländer Mieterverbands

Neben der Waadt kennen bereits Genf und Neuenburg ein Vorkaufsrecht für Immobilien. Für Feller ein völlig falscher Lösungsansatz. Er meint: Man müsste Vorschriften abschaffen, dann könnte schneller und mehr gebaut werden.

Vorkaufsrecht bald in der ganzen Schweiz?

Ob nun weniger oder wieder mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden – die Wirkung des neuen Gesetzes in der Waadt dürfte schon bald auch die Deutschschweiz interessieren.

Weil nämlich eine eidgenössische Initiative des Mieterverbandes hängig ist, die genau so ein Vorkaufsrecht als Möglichkeit für alle Kantone fordert: «Für alle Kantone, in denen ebenfalls Wohnungsnot herrscht, ist die Zustimmung in der Waadt ein sehr positives Signal.»

Der Präsident des Hauseigentümerverbandes dagegen meint, man dürfe die Abstimmung in der Waadt nicht überbewerten: «Ich hoffe, dass die Deutschschweizer etwas moderater und vernünftiger sind. Sie glauben nicht unbedingt, dass sich alle Probleme mit Gesetzen lösen lassen.»

Sicher ist: Der Streit um das Vorkaufsrecht ist in der Romandie entschieden, der Deutschschweiz steht die Diskussion erst bevor.

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