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Antiautoritäre in Saint-Imier 3000 Anarchisten treffen sich im Berner Jura

Im Berner Jura zelebrieren Tausende die antiautoritäre Bewegung. Eine neue Autonomen-Generation gibt den Ton an.

Der beschauliche Ort Saint-Imier im Berner Jura ist in diesen Tagen der Schmelztiegel der Antiautoritären.

Festival
Legende: Ein Hut mit klaren Botschaften am antiautoritären Treffen in Saint-Imier. Keystone/Peter Klaunzer

Vor der Eishalle spielt ein junger, tätowierter Mann auf seiner Gitarre. Er ist eigens aus Spanien für den Jubiläumskongress von «Anarchy 23» angereist. Anderswo wartet ein Punk mit Irokesen-Haarschnitt auf den nächsten Anlass. Eine Frau aus Chile sitzt in der Eishalle auf einem Sofa und entspannt sich.

Neue Anarcho-Generation am Drücker

Was bei einem Rundgang auffällt: Die meisten Teilnehmenden sind unter 30 Jahre alt.

Ihnen geht es vor allem darum, Ideen auszutauschen, Beziehungen zu festigen und andere davon zu überzeugen, sich der Bewegung anzuschliessen.

Das geschah beim Kongress von 1872

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Mit dem Treffen in Saint-Imier erinnern die Anarchisten an ein Ereignis der Zeitgeschichte: Im bernjurassischen Städtchen wurde im September 1872 die Antiautoritäre Internationale ins Leben gerufen.

Das Treffen von 1872 war eine Folge eines Richtungsstreits in der Arbeiterbewegung. Karl Marx und seine Anhänger strebten eine zentrale Führung an, anders als der russische Revolutionär Michail Bakunin. Mit 14 Gleichgesinnten aus Europa und den USA gründete Bakunin in Saint-Imier die Antiautoritäre Internationale.

«Die Gesellschaft muss in eine andere Richtung gehen, als dies momentan der Fall ist. Ich hoffe, dass ich hier Leute treffe, die einen ähnlichen Wunsch haben», sagt eine Frau aus Deutschland. Es sei eine gute Möglichkeit, sich international zu vernetzen, sagt ein anderer Teilnehmer.

Tattoo Anarchie
Legende: Eine Teilnehmerin mit eindeutigem Tattoo. Keystone/Peter Klaunzer

In der Tat kommen die Menschen aus den verschiedensten europäischen Ländern. Sie feiern – wegen Corona mit einem Jahr Verspätung – den 150. Jahrestag des Kongresses von Saint-Imier.

Kundschaft kann Preise selbst bestimmen – oder mitarbeiten

Der Anlass gleicht wegen des Campingplatzes einem Festival, wo Workshops, Diskussionsrunden und kleine Konzerte steigen. Mit einem entscheidenden Unterschied.

Zwei Küchen und vier Bars bieten ihre Waren zu einem Preis an, den die Kundschaft selbst bestimmen kann. Auch die Kinderbetreuung ist gratis. Wer den Anlass unterstützen will, bietet seine Arbeitskraft an.

Es ist eine neue Anarchie-Generation. Ich hätte nie gedacht, dass so viele junge Leute hierhin kommen.
Autor: Daniel de Roulet Schriftsteller

151 Jahre nach dem ersten Treffen sind die Ansichten dieselben. Die Bewegung hat sich in den letzten Jahren jedoch stark gewandelt. «Es ist eine neue Anarchie-Generation. Ich hätte nie gedacht, dass so viele junge Leute kommen», sagt der Autor Daniel de Roulet, ein Alt-Anarcho aus den 68ern, der in Saint-Imier aufgewachsen ist.

Tierwohl ist den Anarchos wichtig

Die Ziele seien dieselben. Man setze sich für ein besseres Leben ein. Als Beispiel sagt er, dass man etwa das Verhältnis zu Tieren überdenken sollte. «Oder wir brauchen ein anderes Verhältnis zum Thema Gender.»

Vermummt
Legende: Eine Frau aus Chile nimmt ebenfalls am Kongress teil. Keystone/Peter Klaunzer

Der Genfer Schriftsteller hat sich mit der Gründung des Kongresses 1872 auseinandergesetzt und den Roman «Zehn unbekümmerte Anarchistinnen» geschrieben. Warum fiel die Wahl damals gerade auf die Uhrenstadt Saint-Imier? «Damals wurden gerade in Deutschland viele Arbeiter entlassen. Viele zogen darauf in die Uhrenstadt Saint-Imier, um hier Arbeit zu finden.»

Stoff für viele Diskussionen gibt es in Saint-Imier genug. Das Anarchie-Treffen dauert noch bis am Sonntag.

SRF1, Rendez-vous, 21.7.2023, 12.30 Uhr ; 

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