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Wieso brauchen Suchtkranke einen Konsumraum? Das Interview mit Stadtrat Patrik Degiacomi
Aus Regionaljournal Graubünden vom 21.06.2022. Bild: keystone
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Gegen die offene Drogenszene Eine Million für ein «Fixerstübli» in der Stadt Chur

Bis 2026 soll Chur einen Konsumraum für Suchtkranke haben. Das Stadtparlament hat den Millionen-Kredit bewilligt.

Chur kämpft seit ein paar Jahren mit einer offenen Drogenszene im Stadtpark. Nun will der Stadtrat versuchsweise einen Konsumraum für Drogen schaffen. Der Gemeinderat debattierte am Donnerstag über den Vorschlag des Stadtrats und sprach die erforderliche Million dafür und bewilligte damit den Kredit für einen dreijährigen Pilotbetrieb.

Voten in der Debatte um den Konsumraum

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15 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte stimmten für den Vorschlag des Stadtrats, 5 dagegen.

Die linke Seite der Legislative, so zum Beispiel Xenia Bischof (SP), unterstützte das Vorhaben. Sie sagte: «Es braucht den Konsumraum.» GLP-Gemeinderätin Géraldine Danuser strich die vielen Vorteile für Süchtige hervor. Man könne Infektionen und schwere Folgeerkrankungen vermeiden, Todesfälle und Überdosierungen verhindern sowie die Motivation erhöhen, sein Leben zu ändern.

Anders sah es Mario Cortesi (SVP). Er befürchtete, dass Chur so zur «attraktivsten Drogenstadt der Schweiz» werde. Eine Art Gegenvorschlag brachte Mitte-Gemeinderat Tino Schneider ein. Ihn störte, dass für die Finanzierung die Stadt Chur verantwortlich sein soll und er kritisierte den Kanton. «Jetzt sitzen wir hier im Gemeinderat und wollen, dass die Churer Steuerzahlenden dieses Projekt tragen?», fragte er.

Ein entsprechender Änderungsantrag von Tino Schneider fand keine Mehrheit.

Im Bündner Hauptort ist ein Konsumraum für Drogen – früher Fixerstübli genannt – seit längerem ein Thema. Nachdem letztes Jahr klar geworden ist, dass der Kanton Graubünden vorerst keinen schaffen will, ist das Churer Stadtparlament aktiv geworden. Es hat Ende 2021 die Stadtregierung beauftragt, die Einrichtung und den Betrieb eines Konsumraumes zu prüfen.

Zusammen mit anderen Hilfsangeboten

Wie Stadtrat Patrik Degiacomi Anfang Woche vor den Medien erklärte, sieht die Stadtregierung einen Konsumraum für Drogen als sinnvolles Puzzleteil in der städtischen Sucht- und Drogenpolitik. Einerseits soll damit die Situation der Drogenabhängigen verbessert, andererseits die Drogenszene für die Öffentlichkeit weniger sichtbar gemacht werden.

Symbolbild eines Konsumraums für eine kontrollierte Drogenabgabe
Legende: Ein Konsumraum für Drogen: Das soll in Chur bald als Massnahme gegen die offene Drogenszene entstehen. Keystone

Der Konsumraum sei aber nur zusammen mit den anderen Hilfsangeboten von Stadt und Kanton sinnvoll, betonte der Vorsteher des Departements für Bildung, Gesellschaft und Kultur. Dazu gehören etwa eine Kontakt- und Anlaufstelle, betreute Wohnangebote oder die aufsuchende Gassenarbeit. «Losgelöst von diesen Angeboten bringt ein Konsumraum zwar mehr Ordnung in den öffentlichen Raum, hilft aber den Süchtigen nicht sehr», sagt Patrik Degiacomi.

Eröffnung bis in drei Jahren

Die Stadtregierung will den Konsumraum auch deshalb an die vom Kanton finanzierte Kontakt- und Anlaufstelle für suchtbelastete und randständige Menschen anschliessen.

Unter dem Strich gibt es eine Verbesserung und nicht eine Verschlechterung.
Autor: Patrik Degiacomi Churer Stadtrat

Stadtrat Patrik Degiacomi ist überzeugt, dass die Suche nach einer geeigneten Liegenschaft im Stadtzentrum gelingen kann. «Wir haben eine lange Liste mit Liegenschaften, die sich dafür eignen könnten», sagt er gegenüber SRF Regionaljournal und man habe bereits erste Gespräche geführt. Er sei sehr zuversichtlich, denn unter dem Strich gebe es eine Verbesserung der Situation und nicht eine Verschlechterung. Je nach Verlauf könnte der Raum für Drogenkonsum zwischen 2024 und 2026 eröffnet werden.

Aggressivere Drogenszene

Zur offenen Churer Drogenszene, einer der letzten der Schweiz, gehören laut Degiacomi etwa 100 Personen. Rund 60 haben ihren Wohnort in Chur und 20 im übrigen Graubünden. Bei weiteren 20 ist die Herkunft unklar, einige kommen wohl aus dem Raum St. Gallen. Die Lage in der Szene habe sich vor zwei bis drei Jahren «rapide verschlechtert», erklärte der Stadtrat.

Einerseits habe die Konsumverlagerung von Heroin zum kokainbasierten Freebase dazu beigetragen. Weil dessen Wirkung weniger lang anhalte, habe das zu einer grösseren Dynamik und Aggressivität in der Szene geführt. Andererseits habe sich die Corona-Pandemie negativ ausgewirkt. Im Sommer 2020 hätten viele Städte im Kampf gegen das Virus ihre öffentlichen Anlagen geschlossen, Chur aber nicht. Damals habe sich bis nach Zürich herumgesprochen, dass in der Bündner Hauptstadt «Stoff» einfach und günstig zu haben sei.

Regionaljournal Graubünden, 20.06.2022; 17:30 Uhr,;

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